Was wird der nächste Lebensabschnitt für Sebastian Kurz bringen? Eine offizielle Antwort gibt es auf diese Frage am Donnerstag noch nicht – selbst hat der scheidende ÖVP-Chef nur angekündigt, dass im nächsten Jahr „eine neue Aufgabe“ auf ihn warte.
Was das sein könnte, darum ranken sich seither zahlreiche Spekulationen in der politischen Blase. Am ehesten, so die Vermutung, könnte es den zweimaligen Ex-Kanzler in Richtung Silicon Valley ziehen: Mit Managern von Google, Netflix, Facebook und Co. steht Kurz schon seit Jahren in Kontakt, erst im Sommer war er auf Einladung von Ex-Google-CEO Gast am elitären „Yellowstone-Retreat“ in Montana. Auch beim Facebook-Konzern war Kurz schon zu Gast – auf Einladung eines weiteren Expolitikers: Nick Clegg, ehemals Vizepremier Großbritanniens, fungiert dort als Cheflobbyist.
Für ähnliche Spekulationen hatte zuletzt auch eine private Reise Kurz’ gesorgt: Anfang November begab sich der Klubobmann nach Irland, wo viele Tech-Riesen ihren Europa-Sitz haben.
Rudas dockte bei Tech-Konzern an
Kurz wäre bei weitem nicht der erste österreichische Politiker, der an einen Tech-Konzern andockt: Die ehemalige SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas etwa trat nach ihrem Abgang aus der Politik eine Stelle beim Datenriesen Palantir in Palo Alto an.
Sollte Kurz es sich noch länger überlegen wollen, wohin sein Weg in Zukunft führt, hat er einigen Spielraum: Weil er als Klubobmann ein Berufsverbot hatte, steht ihm prinzipiell ein Anspruch auf sechs Monate Gehaltsfortzahlung in Höhe von rund 11.000 Euro zu. Diesen müsste er eigens beantragen. Insider gehen davon aus, dass er das nicht in Anspruch nehmen wird.
Karrieren der Kanzler a. D.
Kurz wäre auch nicht der erste Ex-Kanzler, der nach der Polit-Karriere in lukrative Jobs wechselt.
Allen voran Alfred Gusenbauer (61, SPÖ). Er war von 2007 bis 2008 Bundeskanzler und verdingt sich seither als Unternehmer, Lobbyist und Aufsichtsratsratvorsitzender der Strabag SE sowie zweier Firmen des Immobilientycoons René Benko (Signa Prime Selection AG, Signa Development Selection AG) und der Cudos AG. Als Lobbyist war Gusenbauer unter anderem für Autokraten in Kasachstan und in Aserbaidschan tätig, als Unternehmer baute er sich ein internationales Firmennetzwerk auf. Unumstritten sind Gusenbauers Aktivitäten selbst in den eigenen Reihen nicht.
Ansatzweise auf seinen Spuren wandelt Werner Faymann (61, SPÖ), der Gusenbauer als Kanzler folgte. Nach dem Abschied vom Ballhausplatz 2016 wurde Faymann Unternehmer, gründete eine Firma mit dem Fokus auf Immobilienprojekte und Kommunikationsarbeit, die laut eigenen Angaben Kunden im In- und Ausland betreut und an zwei Tochterunternehmen, darunter die im Bausektor bestens vernetzte Imfarr Beteiligungs GmbH, beteiligt ist. Außerdem berät er den Versicherungsverein der Wiener Städtischen.
Kurzzeit-Bundeskanzler Christian Kern (55, SPÖ) kam aus der Wirtschaft - er war Vorstandsvorsitzender der ÖBB - und kehrte nach seiner Abwahl dorthin zurück: Seit 2019 ist er Mitglied des Aufsichtsrats der russischen Staatsbahn und Präsident des European China Business Councils.
Ex-Chefs der ÖVP mit guten Beziehungen
Anders als die eher privatwirtschaftlich orientierten Ex-Kanzler der SPÖ heuerten zwei Vizekanzler, die die ÖVP in großen Koalitionen stellte, bei internationalen Organisationen an. Michael Spindelegger (61), seit 2016 Chef des Migrationszentrums ICMPD, führt zudem eine Consultingfirma; Wilhelm Molterer (66) ist seit dem Sommer Pensionist; zuvor war er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) und stand dem Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) vor, der im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 gegründet wurde.
Beim deutschen Nachbar gilt Ex-Kanzler Gerhard Schröder (77, SPD) als der „Genosse der Bosse“: Als Berater, Aufsichtsrat und Putin-Vertrauter hat er den höchst umstrittenen Posten des Aufsichtsratschefs der Nord Stream AG inne - und zieht bis heute Strippen.