Eine Bank kann auch an zu viel Geld auf den Konten ihrer Sparer leiden. Vor allem, wenn es sich um Gratis-Sparkonten handelt und mit den gebunkerten Milliarden nichts passiert. In Zeiten von Strafzinsen, die Banken für das Parken bei der EZB zahlen, ist das ein Verlust-Geschäftsmodell. So ist es der ING-Bankengruppe mit ihrem Privatkundengeschäft der Österreich-Niederlassung gegangen. Statt dieses allerdings kostspielig abzuwickeln, fand die ING in der Post einen glücklich wirkenden Abnehmer dieses Geschäftszweigs mit etwa 100.000 Kunden. Jetzt ist die Übernahme endgültig von allen Aufsichtsbehörden abgesegnet. "Das erfolgte Closing ist ein ganz wichtiger Meilenstein", sagt Post-Chef Georg Pölzl.
Der Post-Chef ist überzeugt, durch die Verschmelzung von Post99 und ING eine Bank mit "einem einzigartigen Angebot" zusammenzubringen. Denn es handle sich eben nicht um eine Onlinebank, so Pölzl, sondern um "Österreichs menschlichste Digitalbank", die auch über die rund 1800 Poststellen in ganz Österreich und Beratung punkten soll. Pölzl: "Das ist die Lücke, in die wir uns hinein bewegen können."
Mitte 2022 kommt gemeinsame Produktpalette
Technisch soll der endgültige Zusammenschluss Mitte kommenden Jahres gelungen sein. "Dann werden wir auch ein gemeinsames Produktbild haben", kündigt Bank99-Vorstand Florian Dangl an. Während bei den bislang noch insgesamt sieben Typen von Girokonten "aufgeräumt gehört", so Dangl, wird die Palette der Geldanlagemöglichkeiten zumindest für die bisher gut 90.000 Kunden der Bank99 stark erweitert.
Post will Anteil an Bank99 offenbar erhöhen
Wie viele der mehr als 100.000 ING-Kunden bei der Stange gehalten werden können, traut sich Pölz nicht zu prognostizieren. Allerdings sprechen Pölzl und Dangl bereits von einer Bank mit mehr als 200.000 Kunden. Die Bilanzsumme liegt bei 2,5 Milliarden Euro. Pölzl erwart 329et für die nächsten Jahre eine Bank, "die stürmisch weiterwächst und einen Ergebnisbeitrag leistet". Noch ist die Grawe als Minderheitspartner mit 20 Prozent an Bord, das könnte sich aber demnächst ändern. Denn wenn es um weitere Investitionen in die Bank geht, konkret Kapitalerhöhungen, "sprechen wir über neue Entwicklungen", bestätigt Pölzl, "die Tendenz geht sicher dahin, dass die Post ihren Anteil erhöht."
Mit dem Start der Bank99 hatte die Post im Frühjahr 2020 Pech, er war ausgerechnet in den ersten Lockdown gefallen. Die Pandemie bremst an einigen Stellen, beispielsweise auch bei der viel schwächeren Nutzung der vielerorts aufgestellten Bankomaten. Ursprünglich wurden hundert Millionen Euro für den Aufbau kalkuliert.
92 Millionen Euro betragen jetzt die Investitionen im Zusammenhang mit der ING, wobei man nicht von Kaufpreis spricht, vielmehr geht es um die Kapitalausstattung, die von Finanzmarktaufsicht und anderen Kontrollbehörden verlangt wird. Die ING musste etwa 250 Mitarbeiter, davon fast 80 IT-Experten, nicht mit Abfertigungen abbauen. Insgesamt beschäftigt die neue Bank 320 Mitarbeiter, wobei die "Post-Banker" zur ING übersiedeln.
Bank99 könnte bis "break even" 300 Millionen kosten
Mit Details über den Finanzbedarf der Bank99 ist Pölzl bei der Online-Pressekonferenz am Donnerstag sparsam, räumt aber ein, dass das gesamte "Kapital-Committment" wohl bei 300 Millionen Euro liege, bis die Bank Gewinn abwerfe. 2020 lief ein Verlust von rund 30 Millionen Euro auf, heuer sei die Größenordnung ähnlich. An der bisherigen Formulierung, in zwei bis drei Jahren den "break even" zu erreichen, hält der Post-Chef fest.
"Die Kunst wird sein, die Daten der Kunden so zu nutzen, dass wir den menschlichen Kanal, die Bankbetreuer, gut einsetzen können, um dann komplexere Lösungen wie einen Wohnbaukredit in einem Beratungsgespräch mit dem Kunden abzuklären", so Dangl.
Was Bank99 Kunden schon haben, ING-Kunden aber noch nicht, ist etwa ApplePay oder eine Mastercard mit Upgrades. Umgekehrt wird für Bank99-Kunden die Welt der Anlagemöglichkeiten sehr breit. Wobei Dangl zwei Kundengruppen sieht: Für diejenigen, die sich angesichts der Nullzinsen vom Sparbuch wegtrauen wollen, soll es "niederschwellige" Angebote vor allem mit Fonds geben, "wo wir den Akzent auf Nachhaltigkeit legen wollen", erklärt Dangl. Aber auch für Selbstentscheider, die sich schon auskennen und wissen, was sie wollen, will die Bank99 die Plattform bieten. Darüberhinaus ist möglicherweise schon im kommenden Jahr der Einstieg in das Broker-Geschäft geplant. Brokerage steht laut Dangl derzeit hoch im Kurs. Wer mit Aktien, Anleihen oder Rohstoffen handeln will, soll das in mittlerer Zukunft auch über die Post-Tochter machen können.
Aus dem Online-Broker-Geschäft haben sich in Österreich allerdings einige Anbieter zurückgezogen. Erst am Mittwoch übernahm die Bawag den Anbeter "Hello". Der Rückzug anderer bietet laut Dangl "noch einmal gewisse Opportunitäten".
Die ING wird in Österreich das seit 1991 aufgebaute Firmenkundengeschäft fortführen. Der Fokus liege auf nachhaltigen Finanzierungen, "die immer stärker nachgefragt werden," so der verantwortliche Österreich-Manager, Roman Ermantraut.
Claudia Haase