Für Max Oberhumer steht fest: „Der gesamte Green Deal wird nur dann passieren, wenn es die entsprechenden Fachkräfte gibt, die die vielen Innovationen auch in der Realität umsetzen können.“ Und hier, so der Sappi-Manager und Obmann der WK-Sparte Industrie in der Steiermark, „spielen unsere Lehrlinge als die Experten von morgen eine Schlüsselrolle“. Die Ziele für die Energiewende seien gesetzt, um die nötigen – und vielfach in Österreich erforschten und entwickelten – Prozesse und Produkte starten und fertigen zu können, brauche es diese Fachkräfte. Der Bedarf sei riesig, die Chancen seien vielfältig, so Oberhummer.
Auch Nina Pildner-Steinburg, Vizepräsidentin der steirischen Industriellenvereinigung, streicht diesen Aspekt hervor: „Angehende Industrielehrlinge steigen in Zukunftsberufe ein und können etwa aktiv einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“ Effiziente Prozesse und vor allem klimaschonende Technologien und Produkte würden schon jetzt Antworten auf drängende Klimafragen liefern, „Industrielehrlinge leisten hier als zukünftige Fachkräfte einen wesentlichen Beitrag“.
Doch wie in vielen anderen Branchen gestaltet sich auch in der Industrie die Suche nach Personal und Lehrlingen zunehmend herausfordernd, die Corona-Krise wirkt zusätzlich belastend. So können einer aktuellen Umfrage der steirischen Industrie zufolge 52 Prozent der befragten Betriebe 2021 nicht alle Lehrstellen besetzen. Als Hauptgrund dafür wird eine niedrige Zahl von Bewerbungen genannt. Das kennt auch Oberhumer vom Sappi-Standort in Gratkorn. 25 Lehrplätze wollte man heuer im Herbst neu besetzen, gelungen sei das nur bei 15. So geht es derzeit vielen Unternehmen. Und selbst bei jenen, die alle Stellen besetzten, berichten 65 Prozent von Schwierigkeiten bei der Besetzung. Erschwerend wirkt in Zeiten wie diesen, dass die Präsentationsmöglichkeiten weniger geworden sind – sei es über Schnuppertage direkt in den Betrieben oder auch die Möglichkeiten, die zahlreichen Berufsbilder in Schulen vorstellen zu können. „Es ist schwieriger, sich kennenzulernen und junge Menschen einzuladen“, sagt Oberhumer.
Die Argumente für eine Lehre in der Industrie seien dennoch vielfältig. Neben der fundierten Ausbildung, bei der auch der Digitalisierung umfassend Rechnung getragen werde, sowie der Infrastruktur in modernen Lehrwerkstätten verweist Oberhumer insbesondere auf die „sehr guten Entwicklungsmöglichkeiten“. Es gebe viele Möglichkeiten für weiterführende Ausbildungsschienen und entsprechende Aufstiegschancen bis hin zu Managementpositionen. Intensiv bemühe man sich zudem, noch mehr junge Frauen für technische Berufe zu begeistern. „Die Ausbildungswege in der Industrie sind vielseitig und Bewerberinnen und Bewerbern stehen über 100 verschiedene Berufe zu Verfügung“, betont Pildner-Steinburg.
"60 Prozent der Führungskräfte aus eigener Ausbildung"
„60 Prozent der Führungskräfte in unserer Fertigung kommen aus eigener Ausbildung“, erzählt auch Bernhard Pesenhofer, der die Lehrlingsausbildung bei der Andritz AG verantwortet. Zwar habe der Konzern auch heuer alle 27 Lehrstellen – bei rund 380 Bewerbungen – besetzen können, „aber es ist mühsam geworden“, sagt Pesenhofer. Vor allem bei „exotischeren Berufen, wie den Zerspanungstechnikern“.
Umso mehr müsse man sich als Betrieb in der Bewerbung bemühen. Bei der Andritz, sagt Pesenhofer, lasse man wenig unversucht. Mit dem Programm „Explore Andritz“ versuche man schon sehr früh, komplexe Inhalte an Junge spielerisch zu vermitteln. Ebenso im Repertoire: Action- und Orientierungstage im Betrieb oder Vorträge auf Messen und in Schulen.
Zumindest eines scheint in turbulenten Zeiten übrigens klar: Der Bedarf an Lehrlingen ist ungebrochen. Der aktuellen Industrie-Umfrage zufolge wollen die Betriebe 2022 trotz allem im Schnitt 15 Prozent mehr Lehrstellen anbieten.