Für viele Österreicher hat der Satz "nur Bares ist Wahres" weiterhin eine hohe Bedeutung. Deshalb mutet es hierzulande oft seltsam an, wenn plötzlich über elektronisches Geld gesprochen wird, den digitalen Euro. Doch in Staaten wie den Niederlanden oder Schweden spielen Scheine und Münzen eine immer geringe Rolle. Das ganze Bezahlsystem wird zunehmend von Banken und Zahlungsdienstleistern übernommen, also privaten Firmen.
Verstärkt wird die Diskussion durch das Aufkommen der Kryptowährungen, konkret der Stable Coins. Das sind Kryptowährungen, die mit einer echten Währung besichert sind, meistens Dollar. "Der Weckruf war sicherlich die Ankündigung von Facebook so eine Stable Coin machen zu wollen. Eine Form von Geld in der Hand eines privaten Konzerns", sagt Peter Kerstens. Der Experte der EU-Kommission ist zentral in die Entwicklung eines digitalen Euros eingebunden.
"Digitale Währungen sind derzeit am Stand, an dem das Internet Ende der 1990er-Jahre war. Niemand weiß, wohin die Reise geht", erklärt Kerstens. "Allerdings können wir es nicht riskieren, bei der Entwicklung vorne mit dabei zu sein." Denn wie schwer es ist, im Nachhinein politisch einzugreifen, sehe man in den aktuellen Versuchen der EU, die Internet-Giganten zu regulieren.
Regierungen reden mit
Ein digitaler Euro wird also kommen. Doch das wird keineswegs ein Alleingang der Europäischen Zentralbank. Sie ist zwar für die Geldpolitik im Euroraum zuständig. Die Entscheidung, welche Art von Zahlungsmittel in der Eurozone akzeptiert wird, liege aber bei den Mitgliedsstaaten, erklärt Kerstens. Derzeit laufe die Untersuchungsphase bei der Zentralbank. Es gehe dabei um die Frage, was ein digitaler Euro können müsse und welche Technologie dafür geeignet wäre.
Konkret gibt es zwei Kandidaten. Das eine wäre eine Art persönliches Konto jedes Bürgers bei der EZB. Das hätte den Vorteil, dass bestehende Technologie verwendet werden könne, sagt der Kommissions-Experte. Auf der anderen Seite gibt es in der Krypto-Community die Hoffnung, dass die Blockchain die Basis einer zukünftigen vernetzten Welt sein könnte. "Da würde es Sinn ergeben, einen digitalen Euro auch mittels Blockchain abzubilden."
Breit informieren
Grundsätzlich müsse eine digitale Währung einfach nutzbar sein, Sicherheit bieten und einen Mehrwert für Kunden bringen, sonst sei nicht mit Akzeptanz zu rechnen, sagt Martin Sprengseis vom Zahlungsdienstleister P19. Er sieht viel Potenzial im digitalen Bargeld. Für eine breite Akzeptanz brauche es jetzt aber vor allem Information und Ausbildung. "Auch für kleine und mittelgroße Unternehmen."
Auch wenn einige vielleicht privat Kryptowallets nutzen würden, mit dem Thema digitales Geld und die Folgen für das eigene Geschäft hätten sich nur wenige beschäftigt. "Es geht um Bezahlsysteme, Steuern oder die Frage, wie man die Mitarbeiter bezahlt: Bar, Überweisung an die Bank oder mit digitalen Euros?"
Kein Bargeld-Ersatz
Aber keine Sorge: Es gibt noch genug Zeit, sich damit zu beschäftigen. Geplant ist die Einführung des digitalen Euros erst 2026. Als ersten Schritt muss sich die EZB bis Sommer 2022 für eine der Technologien entscheiden. Danach braucht es auch noch eine Gesetzesänderung auf EU-Ebene. Und die Beratungen zwischen Kommission, EU-Parlament und den Regierungen dauert bekanntlich meist länger.
Wer nun fürchtet, dass 10er, 50er und 100er bald ein Fall fürs Museum sind, sei beruhigt. Der digitale Euro werde das Bargeld nicht ersetzen, sondern viel mehr ergänzen, sagt Petia Niederländer von der Österreichischen Nationalbank (OeNB). "Bargeld ist unser Premiumprodukt." Es sei auch als Aufbewahrungsmittel wichtig, obwohl immer mehr Konsumenten digital zahlen, nehme der Bargeldumlauf von Jahr zu Jahr zu.
Roman Vilgut