Auch wenn es sich nur um einen Teil-Lockdown handelt (nämlich für Ungeimpfte ab 12 Jahren), erlebt der „nicht lebensnotwendige“ Handel ein Déjà-vu. Und das zur denkbar schlechtesten, weil umsatzstärksten Jahreszeit. Bis zu 350 Millionen Euro Umsatz – pro Woche – dürften dem betroffenen Handelssektor entgehen, schätzt der Handelsverband und rechnete aus, wohin dieses Geld stattdessen fließt. „60 Prozent“, so Handelsverbandschef Rainer Will, „gehen in den Onlinehandel“ – dem ewigen Profiteur des (teilweisen) Niederfahrens des Handels seit Beginn der Pandemie. Internationale Plattformen saugen laut Will 120 Millionen Euro (bzw. 35 Prozent) ab, heimische Anbieter 90 Millionen. Weitere 70 Millionen würden gar nicht ausgegeben, also auf die hohe Kante gelegt. Und noch einmal 70 Millionen fließen in das vom Lockdown nicht betroffene Handelssegment, also vor allem in den Lebensmitteleinzelhandel.
Dass die systemrelevanten Supermarktketten profitieren, wenn Corona den sonstigen klassischen Handel ausbremst, hat vor über einem Jahr zu heftigen Disputen in der Branche geführt. Missstimmung darüber, dass der Lebensmittelhandel sogenannte Non-Food-Produkte (wie Spielzeug oder Schulartikel) an Ungeimpfte verkaufen darf, die anderen Händler aber nicht, werde es auch jetzt geben, räumt Will ein. Allerdings gebe es darüber keine rechtliche Diskussion, da die Verordnung klar sei. „Es ist dem Lebensmitteleinzelhandel nicht zumutbar, jeden einzelnen Kunden auf 2G zu kontrollieren.“
Der Handelsverband sei gestern wegen eines neuen Umsatzersatzes bei Finanzminister Gernot Blümel (VP) vorstellig geworden, erklärt Will der Kleinen Zeitung. In der Vorwoche hatte Blümel auf Forderungen nach neuen Wirtschaftshilfen allerdings zurückhaltend reagiert.
Die Einschätzung Wills, dass der Lockdown für Ungeimpfte das Infektionsgeschehen kaum zum Besseren verändern werde, teilen Virologen – sie plädieren daher für einen allgemeinen Lockdown, also auch für Immunisierte. Im Handelsverband aber sieht man den Wirtschaftszweig nahezu völlig außerhalb der Infektionskette. Nur 0,1 Prozent der Ansteckungen würden in stationären Geschäften stattfinden, auf der anderen Seite stünden hohe wirtschaftliche Kollateralschäden. Statt eines Lockdowns kann sich Will wieder eine durchgehende FFP2-Maskenpflicht für alle vorstellen – auch für Angestellte.