Sparen ist heute noch immer für viele attraktiv, trotz Nullzinsen und hoher Geldentwertung. Das zeigen die Zuwächse bei den Spareinlagen. Wie erklären Sie sich diese Haltung?
PETER GAUPER: Das Sparen für den Notgroschen und geplante Investitionen hat nach wie vor Sinn. Aber als Zukunftsvorsorge müssen wir verstärkt auf Möglichkeiten für die langfristige Vorsorge hinweisen.
Ist klassisches Sparbuchsparen dafür noch ein Thema?
GAUPER: Das Sparbuch ist aufgrund der Zinssituation derzeit nicht das geeignete Instrument für mittel- und langfristige Investitionen. Um eine positive Rendite zu erzielen, eignen sich Substanzwerte wie etwa Aktien und Wertpapierfonds.
Nach wie vor hält aber nur ein Bruchteil der Menschen Wertpapiere. Spüren Sie bereits wachsende Aufgeschlossenheit?
GAUPER: Es gibt ein Umdenken. Investitionen in Aktien und Wertpapierfonds haben hohe Zuwachsraten. Vor allem jüngere Generationen sind aufgeschlossen, so vorzusorgen. Aber das Ganze findet auf einem Niveau statt, wo viel Luft nach oben ist.
Warum sind die Österreicher nach wie vor so sparbuchaffin, trotz deutlich negativer Bilanz?
GERHARD OSWALD: Es ist ein eigenartiges Sicherheitsdenken, ein Generationsthema.
Vorsorge bedeutet für viele, die es sich leisten können, die Anschaffung von Wohnimmobilien. Die Preise sind enorm gestiegen – kann man schon von einer Überhitzung des Marktes sprechen?
GAUPER: Ich würde nicht von einer Blase sprechen, sondern von einem markanten Preisanstieg bei Wohnungen, Häusern und Grundstücken in Kärnten. Das betrifft vor allem den Zentralraum, auch in den Regionen gibt es Preisanstiege, aber geringere. Finanzierbarkeit und Leistbarkeit von Wohnraum stoßen in gewissen Regionen an Grenzen, weil Einkommen nicht im gleichen Maße gestiegen sind.
Erwarten Sie weitere Anstiege?
GAUPER: Ja, aber nicht mehr in der Dynamik wie zuletzt.
OSWALD: In der Bauwirtschaft sprechen wir von 20 bis 30 Prozent höheren Preisen in nur eineinhalb Jahren. Das schlägt sich natürlich auf die Immobilienpreise nieder.
GAUPER: Das Negativzinsniveau führt viel Kapital Richtung Immobilien. Auch mit der Erwartung einer positiven Rendite.
Wie hoch wird die Inflation 2022 klettern?
GAUPER: Unsere Erwartung ist, dass 2022 ein Dreier vorne stehen wird. Das ist realistisch, auch vor dem Hintergrund anstehender Lohn- und Gehaltsverhandlungen. Wir werden 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Inflation sehen als wir sie in den vergangenen zehn Jahren hatten. Besorgniserregend ist das aus meiner Sicht nicht, solange wir ein gutes Wirtschaftswachstum haben.
Raiffeisen hat in Kärnten 133 Standorte sowie 33 Primärbanken – wird nun weiter konsolidiert?
OSWALD: Derzeit ist nichts am Plan.
Vor zehn Jahren gab es noch 56 Primärbanken.
OSWALD: Es gibt Gespräche, die Rahmenbedingungen ändern sich. Wo es sinnvoll ist, wird es Zusammenschlüsse geben – auf freiwilliger Basis.
Filialen kosten viel Geld, immer mehr wird digital abgewickelt.
OSWALD: Der Kunde entscheidet, ob er die Bankstelle noch braucht oder nicht. Am Ende muss es eine wirtschaftliche Darstellbarkeit geben.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Bankgeschäft?
GAUPER: Diese ist große Chance, aber auch Herausforderung. In den nächsten Jahren werden jährlich 350 Milliarden Euro an Investitionen in der EU getätigt, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Eine große Chance für Banken. Wir müssen aber die Voraussetzungen schaffen, um mit unseren Firmenkunden die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen in den Finanzierungen umsetzen zu können. Hier wartet eine Lernkurve auf uns.
Wo sehen Sie Wissenslücken?
GAUPER: Wir sind aufgefordert, eine gewisse Rate an Finanzierungen in Investitionen, die diesen grünen Kriterien entsprechen, vorzunehmen. Dafür müssen wir jeden Kredit, den wir vergeben, klassifizieren. Ist es ein grünes, ein braunes oder ein hellgrünes Investment? Dafür müssen wir die Daten erheben, um die Investitionen ab 2023 klassifizieren zu können, müssen wir alle lernen.
Die Banken als grüne Treiber?
GAUPER: Es geht um das Lenken der Investitionen in Richtung Green Investments. Dazu werden wir einen Beitrag leisten.
Welche Bedeutung haben heute noch Genossenschaften?
OSWALD: Genossenschaften sind ein guter Weg, um gemeinsam zu wirtschaften. Wir müssen das vor den Vorhang holen, etwa bei den neuen Energiegemeinschaften, die das Erneuerbaren-Ausbaugesetz vorsieht.
GAUPER: Raiffeisen hat rund 230 Mitgliedgenossenschaften mit rund 200.000 Genossenschaftern in Kärnten.
Welche Ziele verfolgen Sie als neuer Raiffeisen-Chefaufseher?
OSWALD: Die regionale Verankerung soll so bleiben. Wir müssen verstärkt an der regionalen Entwicklung mitwirken. Wir können Know-how und Kompetenz dafür einbringen. Raiffeisen muss bei den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit noch stärker mit den Kunden mitgehen. Wir wollen hier Vorreiter sein.