Die Frage zum Weltspartag, Herr Boschan: Wie legen Sie Ihr Geld an – alles in Aktien?
CHRISTOPH BOSCHAN: Nein, ich habe den klassischen Portfoliomix für Personen meines Alters. Das besteht aus Immobilienbesitz und Aktien – und hier entlang der einzig ewigen Wahrheit am Markt: langfristig angelegt, breit gestreut und selbst verwaltet, um auf die Kosten zu achten. Das ist auch das, wozu ich immer raten würde.
Haben Sie ein Sparbuch?
Ein klassisches Sparbuch habe ich nicht.
Und Bitcoin?
Immer wieder einmal, aber derzeit nicht.
Verstehen Sie die Skepsis vieler Menschen in Österreich gegenüber dem Aktienmarkt?
Die Öffentlichkeit hat zu kurze Zeiträume im Blick, wenn sie sich mit der Börse beschäftigt. Die Börse ist immer dann in den Berichten, wenn es schnell hoch oder crashartig hinunter geht. Das ist aber nicht die Realität. Die Realität sind attraktive Durchschnittsrenditen, langfristig zwischen sechs und acht Prozent. Sie sind aber nur jenen zugänglich, die wie Unternehmer am Markt agieren. Als Aktionär wird man Unternehmer, trägt auch die Risiken des Geschäfts. Ich will nicht verhehlen, dass es ein langer Weg war zu diesen Erkenntnissen, auch ich habe eine heftige Spekulationsgeschichte hinter mir.
Vor Kurzem rechnete die Oesterreichische Nationalbank vor, dass das in Aktien gehaltene Privatvermögen heimischer Haushalte seit Ende 2019 um 36 Prozent gewachsen ist. Ist das schon Zeichen einer sich ändernden Anlagestrategie?
Das allein ist noch kein Wandel, da diese Volumenszunahme auf höheren Bewertungen beruht. Gleichwohl gibt es ein gestiegenes Interesse an Aktien. Das liegt am Anlagedruck und an fehlenden Renditen im festverzinslichen Bereich. Dazu wurde in den vergangenen Jahren die technische Zugangsschwelle stark gesenkt – durch Neobroker, die mit wenigen Klicks in der App den Marktzugang erleichtern. Wenn sich Kurse so gut entwickeln wie derzeit, senkt das außerdem die Risikoangst, aktiviert größere Anlegerschichten. Die Hausse nährt die Hausse. Aber noch einmal: Alles, was mit kurzen Zeiträumen und einzelnen Titeln zu tun hat, ist für Privatanleger im Bereich der Spekulation.
Welche Rolle schreiben Sie den Trading-Apps in Zukunft zu?
Sie aktivieren neue Anlegerschichten und das ist entscheidend. Alle Märkte brauchen junge Generationen, die sich für die Wirtschaft interessieren. Das hat einen Ausbildungseffekt und die Apps setzen einen Demokratisierungsschritt an der Börse. Diese finanzielle Inklusion ist zu begrüßen.
Sehen Sie Risiken?
In Einzelfällen kann man Entwicklungen beobachten, die toxisch sein können. Wenn sich Heerscharen von Anlegern auf sozialen Netzwerken absprechen, hat das eine rechtliche Komponente und wirft die Frage nach Marktmanipulation auf. So wurden Aktienkurse schon in die Höhe getrieben, der anschließende Verfall verbrennt Anlegerschichten am Markt, die sich frustriert abwenden.
Die Vermittlung von Finanzwissen in Österreich ist kümmerlich. Als Börsianer können Sie mit diesem Zustand nicht zufrieden sein.
Das eine ist die Finanzbildung, das andere sind wirtschaftliche Bewegungsspielräume. Für beides hat die Regierungskoalition Maßnahmen vereinbart, das ist leider schon Jahre her. Die Vermittlung von Finanzwissen gehört in die Lehrpläne. Wenn Banken und Börsen sich engagieren, ist das schön und gut, aber es muss neutralisiert vermittelt werden. Ebenfalls im Regierungsprogramm steht die Steuerfreiheit auf Aktien, wenn sie eine bestimmte Zeit gehalten werden. Das fördert die ruhigen Hände am Markt, die Investition und nicht die Spekulation. Die Regierung muss das nur umsetzen.
Zum Ende des dritten Quartals befand sich der Aktienumsatz in Wien auf Zehn-Jahreshoch und der Leitindex ATX inklusive Dividende auf einem Allzeithoch. Auffällig stark gefragt waren Titel von Energiekonzernen und Banken. Gibt es dafür eine Erklärung?
Da ist Österreich Teil eines globalen Trends. In der Covid-Krise erlebten wir einen Hype um elektronische Plattformen und internetbasierte Geschäftsmodelle. Das ist durch und es folgte eine Hinwendung zu den Zyklikern, die mit der Konjunktur mitlaufen – zu den klassischen Industrien, da sind Banken und Energieversorger dabei. Das erklärt die Überperformance im ATX, der in der Krise überdurchschnittlich unter die Räder kam und jetzt überdurchschnittlich gewonnen hat. Zudem sind österreichische Aktien mit ihren attraktiven Dividenden im Fokus.
Wir schultern so große Themen wie die Pensionen, Covid-Recovery oder die CO2-Reduktion. Sie sagen, dafür braucht es den Kapitalmarkt. Warum?
Der Staat hat nur zwei Möglichkeiten: Steuern erhöhen und Kredite aufnehmen. Doch eine alternde Gesellschaft und Kreditwirtschaft allein sind der Innovationstod. Daher werden sich Volkswirtschaften, die privates Kapital für diese wichtigen gesellschaftlichen Themen aktivieren, leichter tun.