Die Kollektivvertragsverhandlungen für die 415.000 Angestellten und 15.000 Lehrlinge im Handel sind am Donnerstag Vormittag gestartet. Die Gewerkschaft fordert angesichts der hohen Teuerung einen kräftigen Gehaltsabschluss. "Vom Klatschen wird man nicht satt und kann keine Rechnungen bezahlen", sagt die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Anita Palkovich von der GPA vor Verhandlungsbeginn. WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik verwies auf die coronabedingt schwierige Lage für viele Handelsbetriebe.
Die Handelangestellten hätten in der Coronakrise "die Stellung gehalten" und wohl die anstrengendste Zeit in ihrem Berufsleben erlebt. "Corona kann hier deshalb keine Ausrede sein." Die Höhe der Gehaltsforderung wollte Palkovich vorerst nicht nennen.
Die GPA fordert bei den diesjährigen KV-Verhandlungen für die Handelsangestellten - wie schon in den Vorjahren - eine leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. Neu sind die Forderungen nach einer besseren Abgeltung bei Mehr- und Nachtarbeit, unter anderem ein Nachtzuschlag von 50 Prozent zwischen 21 und 6 Uhr, Zuschläge ab der ersten Stunde Mehrarbeit und die Fälligkeit des Mehrarbeitszuschlages schon im Folgemonat in Zeit oder Geld. Nachtarbeit nimmt laut den Gewerkschaftsvertretern vor allem im Lebensmittelhandel immer mehr zu.
Für WKÖ-Handelsobmann Trefelik ist "Corona keine Ausrede, sondern eine Tatsache". Lieferkettenprobleme und Rohstoffpreisanstiege würden die Händler belasten und es sei auch nicht klar, wie sich die Coronapandemie in den nächsten Monaten weiterentwickle. "Die Krise ist noch nicht vorbei." Im Modehandel liege der Umsatz noch immer ein Viertel unter dem Vorkrisenniveau. Wie im Vorjahr kann sich der WKÖ-Handelsobmann einen freiwilligen Corona-Bonus vorstellen, den wirtschaftlich erfolgreiche Händler ausschütten. Die Gewerkschaft hat im Vorfeld der Verhandlungen einen freiwilligen Bonus abgelehnt und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen gefordert. Letztes Jahr habe es "einen Krisendeal" gegeben, heuer fordere man "einen Zukunftsdeal mit einer nachhaltigen Gehaltserhöhung".
In der ersten Runde der KV-Verhandlungen fixieren die Sozialpartner üblicherweise die heranzuziehende Inflationsrate. Das kollektivvertragliche Mindestgehalt für Vollzeitangestellte beläuft sich im neuen Handels-KV auf 1740 Euro brutto (1400 Euro netto).
Am Donnerstag gehen auch die Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialpartner in der Metalltechnischen Industrie in die dritte Runde. Zuletzt boten die Arbeitgeber ein Plus von 2,2 Prozent an, die Arbeitnehmer fordern 4,5 Prozent mehr. Zur Orientierung: Die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate als Verhandlungsbasis lag bei 1,89 Prozent, aktuell liegt die Teuerung bei 3,3 Prozent.
Im Vorjahr gab es bei einer Jahresinflation von 1,4 Prozent ein Lohn- und Gehaltsplus von 1,45 Prozent. Zuletzt hat die Brotindustrie in der Herbstlohnrunde abgeschlossen, das Plus lag bei 2,11 Prozent brutto. Zuvor hatte die Zuckerindustrie mit einem Plus von einem Prozent plus einer Einmalzahlung von 100 Euro den Kollektivvertrag (KV) für ein halbes Jahr fixiert.
Arbeitgeber bremsen die Erwartungen
Neu sind die Forderungen nach einer besseren Abgeltung bei Mehr- und Nachtarbeit, unter anderem ein Nachtzuschlag von 50 Prozent zwischen 21.00 und 6.00 Uhr, Zuschläge ab der ersten Stunde Mehrarbeit und die Fälligkeit des Mehrarbeitszuschlages schon im Folgemonat in Zeit oder Geld. Nachtarbeit nimmt laut den Gewerkschaftsvertretern vor allem im Lebensmittelhandel immer mehr zu. Von Verbesserungen würden besonders Frauen profitieren. Knapp zwei Drittel der Angestellten im Handel in Österreich sind weiblich, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher.
"Im Börsel muss es kräftig rascheln "
Zurück zur Metalltechnischen Industrie. Kürzlich hatte Benjamin Bittschi, Experte für Löhne und Arbeitsmarkt beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, gemeint: "Wenn man sich die Gewerkschaftsseite anschaut, dann hat sich herausgestellt, dass der Abschluss von 1,45 Prozent 2020 mit der Inflation, die jetzt außer Streit gestellt wurde, von 1,9 Prozent für die Beschäftigten eigentlich Reallohnverluste ergeben hat." Für heuer haben die Gewerkschaften jedenfalls schon angekündigt, dass es im "Börsel kräftig rascheln muss". Erste Betriebsversammlungen in der Metallindustrie haben bereits als Warnschuss stattgefunden, weitere sind angedroht wenn es morgen keine Einigung gibt.
Die Arbeitgeber erinnerten daran, dass die ersten beiden Verhandlungsrunden von den Gewerkschaften PRO-GE und GPA schon nach kurzer Zeit abgebrochen wurden. Dies zeige, dass "die Gewerkschaften im Grunde noch nicht an seriösen Verhandlungen interessiert sind", so Christian Knill, Fachverbandsobmann der Metalltechnischen Industrie (FMTI). Die Forderungen der Gewerkschaften würden Mehrkosten von bis zu zehn Prozent verursachen und seien "verantwortungslos".
"Hohe Kampfbereitschaft"
Die Arbeitnehmervertreter wiederum richteten den Industrievertretern aus: "Die Kampfbereitschaft ist bereits zu Beginn der Lohn- und Gehaltsrunde hoch." Neben einem allgemeinen Anstieg von Löhnen und Gehältern um 4,5 Prozent fordern die Chefverhandler Rainer Wimmer (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) unter anderem eine überdurchschnittliche Erhöhung der Lehrlingseinkommen. Derzeit befinden sich rund 8.000 Lehrlinge in der Metallindustrie in Ausbildung. Ein Lehrling im ersten Jahr erhält bisher 749 Euro, dies soll auf 1000 Euro steigen.
Der Mindestlohn in der Metallindustrie liegt bei 2000 Euro brutto. Die 1200 Betriebe der Metalltechnischen Industrie beschäftigen nach Eigenangaben über 134.000 Mitarbeiter.