Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht an drei Forscher: Der Kanadier David Card von der University of California in Berkeley wurde für seine empirischen Beiträge zur Arbeitsökonomie ausgezeichnet. Der Amerikaner Joshua D. Angrist vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Niederländer Guido W. Imbens von der Stanford University teilen sich die zweite Hälfte des Preises für ihre methodischen Beiträge zur Analyse von Kausalzusammenhängen.
Alle drei Forscher "haben uns neue Erkenntnisse über den Arbeitsmarkt geliefert und gezeigt, welche Schlussfolgerungen über Ursache und Wirkung aus natürlichen Experimenten gezogen werden können", begründete die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm am Montag ihre Entscheidung.
Der kanadische Arbeitsmarktökonom David Card forscht und lehrt an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Bekanntheit erlangte er mit empirischen Untersuchungen zur Wirkung eines Mindestlohns. In diesen Arbeiten verglich er ökonomisch ähnliche Regionen mit und ohne Lohnuntergrenze und konnte auf dieser Basis die Annahme hinterfragen, dass Arbeitslosigkeit unmittelbar aus der Lohnhöhe folgt.
Seine Erkenntnisse fanden Mitte der 1990er-Jahre Eingang in „Myth and Measurement: The New Economics of the Minimum Wage“. Diese Arbeit beeinflusste auch die politischen Diskussionen über die Einführung staatlicher Mindestlöhne. Er widerlegte mit Experimenten die damals gängige Meinung von Ökonomen, dass eine Mindestlohnanhebung zwangsläufig in eine sinkende Beschäftigung münde müsse.
Der aus dem US-Bundesstaat Ohio stammende Angrist, der ebenfalls zum Arbeitsmarkt forscht, und der niederländisch-amerikanische Wissenschaftler Imbens teilen sich die andere Hälfte für ihre methodischen Beiträge zur Analyse von Kausalbeziehungen. Die Erkenntnisse aus den Arbeiten der drei Forscher hätten "unser Verständnis empirischer Arbeit in der Wirtschaftswissenschaft verfeinert", erläuterte die Jury.
Ursache und Wirkung
Der Ansatz der drei Forscher habe "auf andere Bereiche übergegriffen und die empirische Forschung revolutioniert", begründete die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften ihre Entscheidung. Zentrale Fragen der Sozialwissenschaften hätten vielfach mit Ursache und Wirkung zu tun - etwa, wie sich Einwanderung auf das Lohn- und Beschäftigungsniveau auswirke. Diese Fragen seien schwer zu beantworten, weil es dazu keine Vergleiche gebe. "Wir wissen nicht, was passiert wäre, wenn es weniger Zuwanderung gegeben hätte", so die Akademie. Die diesjährigen Preisträger hätten jedoch gezeigt, dass es möglich sei, solche und ähnliche Fragen mit natürlichen Experimenten zu beantworten.
"Extrem relevant für die Praxis"
Die stellvertretende Direktorin des heimischen Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Ulrike Famira-Mühlberger, begrüßt den Nobelpreis für die drei Arbeitsmarktökonomen. Die Forschungsergebnisse seien "extrem relevant für die Praxis" und seien zentral für die heutige Arbeitsmarktforschung. Card habe gezeigt, wie man mit natürlichen Experimenten, kausale Zusammenhänge identifizieren könne, etwa bei Mindestlöhnen, so die Wifo-Ökonomin. Angrist und Imbens hätten als Ökonometriker die Methoden weiterentwickelt.
Deutsche Ökonomen begrüßten die Auswahl. Ifo-Präsident Clemens Fuest nannte die Entscheidung der Schwedischen Reichsbank eine "sehr gute Wahl". Die Forschung der drei Wissenschafter habe einen "großen praktischen Nutzen", weil sie Methoden entwickelt hätten, um Ursache und Wirkung zu bestimmen. Das sei wichtig, um herauszufinden, "wie wirtschaftspolitische Maßnahmen wirken". Auch Ökonomie-Professor Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf begrüßte die Entscheidung. "Bin super happy über die Auswahl und kann mir keine würdigeren Preisträger vorstellen als diese drei, sie haben die Econ-Welt verändert", twitterte Südekum.
Erst ein Österreicher ausgezeichnet
Seit der ersten Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises 1969 war bisher erst ein Österreicher unter den Preisträgern: Der österreichische liberale Ökonom Friedrich August von Hayek erhielt 1974 den Preis gemeinsam mit dem Schweden Gunnar Myrdal für Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie. Der österreichische Verhaltensökonom Ernst Fehr (Uni Zürich) wurde in der Vergangenheit öfters als Kandidat für den Wirtschaftsnobelpreis genannt.
Vergangenes Jahr war der Preis an die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson gegangen. Sie wurden für ihre Verbesserungen der Auktionstheorie und Erfindung neuer Auktionsformate geehrt.
Die Preise sind mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie dotiert.