"Wir müssen jetzt vom Diskutieren zum Realisieren kommen“, gibt Airbus-Chef Guillaume Faury die Lösung für die Branche aus. Und diese ist fast vollzählig in Toulouse beim Flugzeugbauer erschienen. Von Fluglinien über Treibstoffhersteller und Nachhaltigkeitsexperten bis hin zu Vertretern der Luftraumüberwachung und von NGOs. Sie eint eine Erkenntnis: Die ganze Branche muss an einem Strang ziehen, einer alleine kann nachhaltiges, grünes Fliegen nicht realisieren. Der Weg dorthin ist vorgezeichnet. Durch die politische Seite wie dem EU-Klimapaket „Fit for 55“ und die darin enthaltene Vorgabe der Klimaneutralität für die Luftfahrt bis 2050. Die Selbstverpflichtung vieler Fluglinien, ihren CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren zu wollen. Und schließlich der Druck, der auf der Branche lastet, Stichwort „Fridays for Future“ oder „Flugscham“.
Technisch ist bei Weitem noch nicht alles ausgereift, technologieoffen wird geforscht und entwickelt, und tatsächlich kommen die Forscher auch zu vielversprechenden Ergebnissen. Es kristallisiert sich heraus, dass der Weg zur Klimaneutralität bei den Flugzeugen aus drei Elementen besteht. Der Elektroantrieb wird für die ganz kurzen Strecken favorisiert. Elektrisch betriebene Fluggeräte, die (derzeit bis zu vier) Menschen oder Fracht bis etwa 100 Kilometer Reichweite befördern können. Airbus hat da seinen City-Airbus vorgestellt. Da stimmt das Verhältnis von Batteriegröße und -gewicht und der Leistung. Auch für Hubschrauber wird der elektrische Antrieb die Zukunft sein. Die zweite Antriebsquelle wird Wasserstoff sein. Für Kurz- und Mittelstreckenflüge mit 100 und mehr Passagieren. In welcher Form der Wasserstoff genutzt wird, da wird an der effizientesten Methode noch geforscht.
Ob er direkt eine Turbine antreibt, zum Beispiel, oder eine Brennstoffzelle mit Energie versorgt. Weil Wasserstoff als Treibstoff mehr Platz braucht als Kerosin, könnten Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb künftig völlig anders aussehen, als wir es bisher gewohnt sind. Deltaflügler werden da in Konzeptstudien immer wieder genannt. Die Antriebsquelle für Langstreckenflüge werden wohl alternative Treibstoffe, sogenannte Sustainable Aviation Fuel (SAF), werden. SAF ist der Oberbegriff für nicht auf fossilen Rohstoffen basierende Treibstoffe. Das können Biofuels sein, die zum Beispiel aus pflanzlichen Abfällen oder gebrauchten Speiseölen hergestellt werden, oder synthetische Kraftstoffe, die chemisch hergestellt werden und wo bei den Verfahren der Luft CO2 entzogen wird. SAF sind in Qualität und Leistung mit fossilem Treibstoff vergleichbar.
„Wir müssen jetzt umsetzen, was wir sagen“
Gestartet wird da mit Beimischungsquoten, die die EU ja auch schon in ihrem Plan „Fit for 55“ festgelegt hat. Rein technisch könnten heute schon bis zu 50 Prozent dem Kerosin beigemischt werden, doch es mangelt an Menge. Heuer, so erwartet die Weltluftfahrtorganisation IATA, sollen 100 Millionen Liter SAF produziert werden. Weltweit sind 2019 rund 95 Milliarden Gallonen Treibstoff verbraucht worden (1 Gallone = 3,78 Liter). Sie fordert die Politik auf, die richtigen Schritte zu setzen, damit die Industrie mit der Produktion von SAF in großem Umfang startet.
Unter der (zwingenden) Voraussetzung, dass für alle Antriebe und Treibstoffe nur grüner Strom verwendet wird, kann Fliegen annähernd klimaneutral werden. Diese Voraussetzung ist wohl die herausforderndste. Denn die benötigten Mengen sind unglaublich groß. Weil Wind und Sonne meist dort im Überfluss vorhanden sind, wo der Strom und der Treibstoff nicht benötigt werden, muss die Transportfrage von Wasserstoff gelöst werden. Und die Flughäfen benötigen für elektrisch und wasserstoffgetriebene Flugzeuge die entsprechende Infrastruktur. Viel CO2 kann auch auf ganz konventionelle Art eingespart werden. Mit einer effizienten Luftraumüberwachung, Air Traffic Management (ATM), zum Beispiel. Single European Sky könnte den CO2-Ausstoß um bis zu zehn Prozent reduzieren, umgesetzt werden muss er endlich einmal. Dazu gibt es laufende technische Verbesserungen bei Flugzeugen und Triebwerken. Ein A320neo verbraucht 20 Prozent weniger Treibstoff und stößt 20 Prozent weniger CO2 aus als das Vorgängermodell, beim neuen A350 sind es 25 Prozent minus. Möglich wird das durch neue, leichte Materialien, neue Flügelformen oder neue Beschichtungen der Außenhaut.
Diese Innovationen machen Airbus zuversichtlich, in Zukunft tatsächlich klimaneutrale Flugzeuge produzieren und auch verkaufen zu können. „Wir müssen jetzt umsetzen, was wir sagen“, so Airbus-Chef Guillaume Faury in Toulouse. Er gab fast so etwas wie eine Garantie ab, dass Airbus bis 2035 ein wasserstoffgetriebenes Flugzeug auf den Markt bringen wird. Die Entschlossenheit, das auch zu tun, war in Toulouse von allen Teilnehmern spürbar, auch die Zuversicht, das Ziel erreichen zu können. Am besten mit dem Konkurrenten Boeing, den man in Toulouse am liebsten im selben Boot sitzen sähe.
Michael Csoklich