Der Chef des heimischen Baukonzerns Porr, Karl-Heinz Strauss, sieht bei den Baumaterial-Verteuerungen zum Teil bereits eine Entspannung und rechnet bis Jahresende mit Preisrückgängen, wenn auch nicht auf frühere Niveaus. Den ministeriellen Stopp von Asfinag-Straßenprojekten bezeichnete er am Donnerstag im APA-Gespräch als "politische Debatte, wo eine Partei ihr Profil schärfen will - im Interesse einiger Kleingruppen zulasten der Allgemeinheit".
"Ich sehe hier kein schlüssiges Konzept", sagte der Porr-Chef, ohne die zuständige Ministerin oder die Partei beim Namen zu nennen. Eine Konzentration für das Jahr 2030 rein auf E-Autos sehe er als "fahrlässig" an, denn falls man nur noch elektrisch statt mit Verbrennern fahre, gäbe es dafür "zu wenig Strom", wenn nämlich in Europa die Kohlekraftwerke oder Atomkraftwerke abgeschaltet würden. "Ich habe den Eindruck, dass man uns ins Mittelalter zurückbeamen will", meinte Strauss.
Die Baumaterial-Preissteigerungen seien unerwartet gekommen und extrem hoch ausgefallen - von manchen anderen Branchen sei die Zeit "genützt" worden, um in Zeiten von Kurzarbeit oder durch ein Nichtaufsperren von Fabriken eine Knappheit herzustellen, so der Porr-Chef. Sein Konzern habe sich schon im Vorjahr sehr stark für heuer eingedeckt und dadurch vieles von den Preisanstiegen abfangen können.
In den letzten vier Wochen seien die Preise nicht mehr weiter angestiegen, sondern hätten sich vielfach bereits parallel entwickelt. In Deutschland habe es teils sogar schon leichte Rückgänge gegeben, in Polen seien sie seit zwei Monaten nicht mehr angestiegen. Er rechne damit, dass die Preise zu Jahresende wieder zurückgehen, aber nicht mehr auf ein früheres Niveau.
Porr: "Keine einzige Baustelle steht"
Wegen Materialmangels stehe bei der Porr "keine einzige Baustelle", so Strauss, wenngleich man die Auswirkungen spüre: "Auch wir transportieren dann Dämmmaterial zum Beispiel aus Polen und Rumänien nach Deutschland und Österreich."
Der Fachkräftemangel halte, wie schon vor Corona, weiter an, die Lage sei vielfach noch angespannter als früher. Auch durch die eigene Porr-Akademie, die schon eine vierstellige Zahl von Menschen durchlaufen hat, versuche man dem entgegenzuwirken. "Wir kriegen noch immer Techniker und andere Fachkräfte. Es geht uns besser als der Gastronomie - aber es wurde schwieriger." Bei den Lehrlingen habe man alle Stellen besetzen können, obwohl es dreimal so viele Anmeldungen als sonst gegeben habe.
Bis Juni hat der Porr-Konzern seinen Auftragsbestand im Jahresabstand um fast elf Prozent auf die Rekordhöhe von 7,85 Milliarden Euro ausgebaut. Die Produktionsleistung wuchs um ein Zehntel auf 2,50 Milliarden Euro, nach 22,7 Millionen Euro Verlust vor einem Jahr kehrte man nun mit 8,6 Millionen Euro Nettoergebnis in die Gewinnzone zurück. Den Ausblick für 2021 bestätigte der Bauriese mit 19.800 Beschäftigten, je nach Ausgang des von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) initiierten Kartellverfahrens.
Österreich bleibt wichtigster Porr-Markt
Der Auftragseingang wuchs im Jahresabstand um 8,4 Prozent auf 3,27 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Steuern (EBT) lag mit 11,5 Millionen Euro deutlich über dem ersten Halbjahr 2019, im Corona-Jahr 2020 waren es beim EBT bis Juni minus 26,6 Millionen Euro gewesen. Auf Basis der guten Ergebnisentwicklung im ersten Halbjahr 2021 erwartet der Vorstand für das Gesamtjahr 2021 weiterhin eine Produktionsleistung von 5,3 bis 5,5 Milliarden Euro und eine positive EBT-Marge von 1,3 bis 1,5 Prozent. Mittelfristig strebt Porr eine Ziel-EBT-Marge auf Konzernebene von 3,0 Prozent an, heißt es im Ausblick. Von der Gesamtleistung entfielen 46,5 Prozent auf den wichtigsten Markt Österreich, gefolgt von Deutschland mit 23,9 Prozent sowie Polen mit 13,5 Prozent der Leistung.
Für den Hochbau in den Heimmärkten der Porr erwarten die Experten des Beraters KPMG laut einer ganz aktuellen Analyse von August ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 6,3 Prozent bis 2025. Dabei solle der Wohnbau mit 6,9 Prozent Anstieg den größten Beitrag leisten, im Nichtwohnungsbau der Gewerbebau mit 5,8 Prozent das größte Plus. Unterstützend würden dabei die Investitions- und Konjunkturprogramme der EU wirken, erklärt der Baukonzern im Halbjahresbericht. Im Tiefbau liege die von KPMG erwartete jährliche Wachstumsrate bis 2025 im Schnitt bei 3,9 Prozent.
Der positive Ausblick für 2021 hänge stark vom Ausgang des Kartellverfahrens in Österreich ab, betont der Baukonzern im Halbjahresbericht. Wie berichtet wirft die BWB der Porr und einer Vielzahl anderer Bauunternehmen wettbewerbswidrige Absprachen vor - im April brachte die BWB diesbezüglich einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße gegen Firmen der Porr-Gruppe ein. Im Hinblick darauf habe man im Laufe der letzten Jahre Vorsorgen dafür gebildet, die bestmöglich geschätzt worden seien, wobei keine Sicherheit bestehe, ob diese Vorsorgen ausreichend seien. Die Porr strebe nun eine zeitnahe einvernehmliche Lösung (Settlement) mit der BWB an, auch davon sei der Ausblick für das Gesamtjahr abhängig.