Ruhestand? Gernot Fischer hebt den Kopf, blickt etwas verwundert, schmunzelt. Und antwortet trocken. „Ruhestand? Was ist das?“ Ganz abwegig scheint die Frage bei einem Blick auf das Geburtsdatum des Pharmazeuten und Vollblutunternehmers freilich nicht, 7. Februar 1935. Doch seine 86 Jahre merkt man Fischer schlicht nicht an, zumal er gerade dabei ist, die größte Investition der mittlerweile fast 100-jährigen Firmenhistorie zu vollenden. Die „Pharmonta Dr. Fischer GmbH“ hat in Gratwein um gut zehn Millionen Euro einen neuen Standort hochgezogen, der von den knapp 35 Mitarbeitern nun nach und nach bezogen wird. Das Familienunternehmen, das Fischer gemeinsam mit seiner Tochter Ulla Kassegger, ebenfalls Pharmazeutin und Inhaberin der Fischer Apotheke in Gratwein, führt, ist auf die Herstellung von flüssigen und halbflüssigen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln spezialisiert. Neben Eigenprodukten tritt man auch als gefragter Lohnhersteller auf – sowohl für international tätige Pharmafirmen als auch für Apotheken. Das Spektrum reicht dabei vom reinen Abfüllauftrag über die Produktion auf Basis bestehender Rezepturen bis hin zur völlig neuen Produktentwicklung.
Der Stolz über die neue Infrastruktur, die alle „Stückln“ spielt, ist Gernot Fischer bei einem Rundgang durch die Produktion, das neue Hightech-Lager, das Kontroll- und Entwicklungslabor durchgehend anzumerken. Der Weg führt vorbei an einem großzügigen Sozialraum auf die Dachterrasse, die auch den Blick auf eine Photovoltaikanlage mit 120 Kilowatt-Peak (kWp) Leistung freilegt. Hochmodern und doch familiär. „Für mein Büro habe ich mir aber meine alten Möbel mitgenommen“, erklärt Fischer mit Blick auf seinen wunderbaren Eichenschreibtisch, der dem unprätentiös gestalteten Raum eine gewisse Heimeligkeit verleiht.
Der Weg zum neuen Zuhause für das Traditionsunternehmen war kurz. Und dennoch weit. Die Distanz zur alten Wirkungsstätte in der Montanastraße beträgt nicht einmal einen Kilometer, doch es hat an die 15 Jahre gedauert, bis die Grundstückssuche in der Murfeldstraße von Erfolg gekrönt war. „Wir wollten einfach in Gratwein bleiben“, sagt Gernot Fischer.
Die Wurzeln der Pharmonta liegen eigentlich im oststeirischen Pöllau. Dort kaufte sein Vater Ludwig Fischer 1924 die Apotheke „Zum Schwarzen Adler“ und landete nur drei Jahre später einen Arzneimittel-Coup. Er entwickelte die „Montana Haustropfen“, die bis heute ein Aushängeschild der Pharmonta sind. Das pflanzliche Mittel gegen Verdauungsstörungen ist als stärkster Umsatzbringer eine Art „Blockbuster“ im breiten Angebot des Unternehmens und seit Jahrzehnten aus vielen Haus- und Reiseapotheken nicht wegzudenken.
Nachdem Ludwig Fischer 1932 auch eine Apotheke in Gratkorn gepachtet hatte, wurde 1948 die Pharmonta als chemisch-pharmazeutisches Unternehmen ins Handelsregister eingetragen. 1949 kaufte der findige Apotheker dann jenes Areal im nahe gelegenen Gratwein, das bis vor wenigen Wochen die Heimat von Pharmonta war. „Damals stand dort noch ein alter Schafstall, der in ein erstes kleines Labor umfunktioniert wurde“, so Fischer. Mit dem sukzessiven Wachstum steigerte sich auch der Platzbedarf der Pharmonta. Zubau folgte auf Zubau, bauliches Stückwerk. Über die Jahre veränderte sich auch die Nachbarschaft und irgendwann befand man sich mitten im Wohngebiet, die Zufahrt war zu eng, Produktion und Lager platzten aus allen Nähten. Direkt vor dem Betrieb steht auch Fischers Privathaus, „und ich war immer auch ein bissl der Hausmeister“, erzählt Fischer mit breitem Lächeln. Das Grundstück für den Neubau, der mehr als 6000 Quadratmeter Platz bietet, habe man den ÖBB abgekauft, „der ist trotz der Corona-Situation innerhalb eines Jahres flott und störungsfrei über die Bühne gegangen“.
Gernot Fischer lenkt das Unternehmen nunmehr seit dem 1. Jänner 1963. Und als das Gespräch dann doch noch einmal auf das „Fremdwort“, den Ruhestand fällt, gibt der Chef eine leidenschaftliche Liebeserklärung ab: „Ich habe mich immer für Naturwissenschaften begeistert, schon als Kind und für mich war auch dieser Beruf stets viel mehr als eine reine Arbeit, das hat auch mit Begeisterung zu tun, es war und ist auch mein Hobby.“ Und das habe sich bis heute nicht geändert.