Selbst für Experten war es eine Überraschung, die aber vor dem Hintergrund der ohnehin hohen Juli-Inflationsrate von 2,9 Prozent etwas untergegangen ist. Die Preise für Lebensmittel in Österreichs Märkten blieben bisher stabil. Überraschend war das deshalb, weil die meisten der zugrunde liegenden Rohstoffpreise seit Monaten nur eine Richtung kennen: Und die zeigt steil nach oben. Allein im Juli legten die Weltmarktpreise für Agrargüter – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – um 41 Prozent zu, wie eine aktuelle Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) belegt.
Im gesamten ersten Halbjahr seien die Verbraucherpreise für Nahrungs- und Genussmittel in Österreich mit plus 0,9 Prozent indes nur relativ moderat gestiegen. Dabei werde es nicht bleiben, sagen nun die Wifo-Experten Franz Sinabell und Josef Baumgartner voraus. „Erfahrungsgemäß reagieren die Lebensmittelpreise mit einer gewissen Verzögerung auf Preisänderungen von Agrargütern.“ Dazu werde es nun kommen.
"Kein Händler will den Schwarzen Peter haben"
„Bisher war die Konkurrenz zwischen den Handelsketten zu groß. Keiner will den Schwarzen Peter haben“, erklärt Sinabell. Doch wenn die langfristigen Lieferverträge auslaufen, werde es zu einer Preisanpassung nach oben kommen. Für das zweite Halbjahr 2021 sowie das erste Halbjahr 2022 rechnen die Ökonomen mit einem Anstieg der Verbraucherpreise für unverarbeitete Nahrungsmittel um 2,6 Prozent bzw. 3,8 Prozent, für verarbeitete Nahrungsmittel um 2,5 Prozent bzw. vier Prozent. Wie sich das auf die einzelnen Waren auswirken wird, ist zum Teil noch schwer prognostizierbar. Die Bäckerinnung hat zuletzt bereits deutlich gemacht, dass die Preise für Brot und Gebäck im Herbst um rund zehn Prozent steigen werden, in anderen Branchen sind die Auswirkungen vielfach aber noch nicht bezifferbar.
Fallende Kosten wirken sich kaum aus
Was die Volkswirte jedenfalls auch beobachten: Die Preisschwankungen im Lebensmittelhandel sind asymmetrisch. Hohe Rohstoffpreise werden üblicherweise recht rasch an die Konsumenten weitergegeben. Fallende Kosten hingegen wirken sich viel langsamer auf die Preise im Geschäft aus.
Aus diesem Grund findet der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, Ferdinand Lembacher, den Fokus auf die Rohstoffpreise auch nicht gerechtfertigt. Er hätte es noch nie erlebt, dass Brot billiger wird, wenn die Getreidepreise sinken. Der Grund dafür sei klar: „In einem Brot macht der Getreidepreis, als Kostenanteil der Landwirtschaft, fünf bis sechs Prozent aus.“
"Lebensmittelpreise sind zu günstig"
Für den Vertreter der Landwirte sind die Lebensmittelpreise in Österreich eigentlich weiterhin zu günstig. „Ein Milchbauer kann nicht kalkulieren, welche Kosten die Produktion verursacht und dementsprechend den Preis setzen. Er bekommt den Preis, der am internationalen Markt gezahlt wird.“ Dementsprechend seien die Landwirte sicherlich keine Inflationstreiber.
Katharina Koßdorff vom Fachverband der Lebensmittelindustrie führt auch die steigenden Kosten für Transport und Verpackung ins Feld. „Es ist sehr ungewöhnlich, dass solche Marktentwicklungen auf so vielen Ebenen praktisch zeitgleich auftreten. Das stellt die Betriebe der Lebensmittelindustrie derzeit vor extreme Herausforderungen.“
Wann werden Kosten weitergereicht?
Eine entscheidende Frage lautet aber auch: Wie, wann und in welchem Ausmaß werden die Handelsketten etwaige Verteuerungen an die Kunden weitergeben? Hier rechnet der Geschäftsführer des Handelsverbandes, Rainer Will, mit keinem kräftigen Anstieg der Preise: „Es gibt einen starken Wettbewerb im Lebensmittelhandel und die Kunden wollen günstige Preise.“
Auch Hofer-General Horst Leitner meinte erst kürzlich, „wenn die Kosten für Produzenten zu hoch werden, muss man das abgelten.“ Dass höhere Einkaufspreise dann auch 1:1 bei den Konsumenten ankommen, glaubt er nicht. Denn der harte (Preis-)Wettbewerb im österreichischen Lebensmittelhandel werde einen „heißen Herbst“ bringen, glaubt Leitner.