Der Aufschwung in China verliert angesichts neuer staatlicher Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus an Schwung. Die Industrieproduktion in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wuchs im Juli nur noch um 6,4 Prozent zum Vorjahresmonat und damit weniger als erwartet, wie am Montag in Peking veröffentlichte Daten des Statistikamtes zeigten. Analysten hatten mit 7,8 Prozent gerechnet, nachdem die Produktion Juni noch um 8,3 Prozent zugelegt hatte.
Auch die Kauffreude der Verbraucher war geringer als vorausgesagt: Der Einzelhandelsumsatz stieg im vergangenen Monat um 8,5 Prozent zu. Analysten hatten hier mit einem Plus von 11,5 Prozent gerechnet, nach 12,1 Prozent im Juni.
Engpässe und steigende Kosten
"Die zuletzt gestiegenen Virus-Infektionen und Eindämmungsmaßnahmen der Politik fordern ihren Tribut", schrieben die Commerzbank-Ökonomen Hao Zhou und Marco Wagner. Wegen neuer Corona-Ausbrüche mussten beispielsweise Fabriken und Häfen zeitweise geschlossen werden. Hinzu kamen noch schwere Überflutungen und heftige Regenfälle, etwa in der wirtschaftlich wichtigen Provinz Henan. Das verschärft ohnehin bestehende Lieferengpässe und treibt die Kosten nach oben. "Die Erholung der Binnenwirtschaft steht noch immer vor vielen Herausforderungen, die Produktionsbeschränkungen haben zugenommen", sagte der Sprecher des Statistikamtes, Fu Linghui. Die asiatischen Aktienmärkte reagierten mit Kursverlusten auf die neuen Daten aus China.
Erste Ökonomen haben ihre Wachstumsprognosen für Asiens größte Volkswirtschaft gesenkt. "Angesichts von Chinas Null-Toleranz-Ansatz gegenüber Covid werden künftige Ausbrüche weiterhin ein erhebliches Risiko für die konjunkturellen Aussichten darstellen, auch wenn inzwischen rund 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sind", so Volkswirt Louis Kuijs von Oxford Economics. Die Experten des Finanzhauses ANZ senkte ihre Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts heuer von 8,8 auf 8,3 Prozent.
"... sonst gibt es überhaupt keinen Gewinn ..."
Die höheren Rohstoffpreise dürften vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unter Druck setzen. Diese seien sind nicht in der Lage, die gestiegenen Kosten an die Käufer weiterzugeben, sagte ein Verkaufsleiter einer Fabrik für medizinische Geräte in der östlichen Provinz Jiangsu. "Wir trauen uns nicht, unsere Preise zu erhöhen... aber unsere Preise dürfen nicht fallen, sonst gibt es überhaupt keinen Gewinn", sagte er.
Angesichts der zuletzt schwächeren Wirtschaftsdaten nehmen die Spekulationen zu, wonach Regierung und Zentralbank die Konjunktur stärker stimulieren könnten. "Unserer Meinung nach gibt es jedoch vorerst wenig Anzeichen dafür, dass China seine Politik grundlegend ändern wird", erwarten die Commerzbank-Ökonomen. So beließ die Notenbank ihre Zinssätze für die mittelfristige Kreditfazilität zu Wochenbeginn unverändert gelassen, "was darauf hindeutet, dass die Behörden der Ansicht sind, dass die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen immer noch in einem annehmbaren Bereich liegen".