Lange Lieferketten und knappe Rohstoffe sind allgegenwärtig. Als Elektrogroßhändler sind Sie mit Rexel Austria massiv betroffen. Wie lange muss ich derzeit eigentlich auf eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank warten?
ROBERT PFARRWALLER: Wer dringend ein Gerät braucht, bekommt eines. Wer auf eine bestimmte Marke oder Type beharrt, muss jedoch mit Engpässen und längeren Lieferzeiten rechnen. Wir haben seit Ende des ersten Lockdowns einen Nachfrageboom bei Konsumgütern. Geld, das nicht für den Urlaub oder das Theater ausgegeben werden konnte, floss in die Renovierung der eigenen vier Wände.
Stimmt es, dass ganze Ladungen wegen der hohen Containerpreise und Transportkosten in Asien verbleiben?
Auf der Asienstrecke ist der Containerpreis von 1500 Dollar auf 10.000 Dollar gestiegen. Das spielt eine Rolle. Bei manchen Produkten wirkt sich das im Preis sehr gering aus, bei anderen kann das mehr sein. Das eigentliche Problem aber ist die Wartezeit. 2019 hat ein Container drei Tage gebraucht, um auf ein Schiff zu kommen, jetzt sind es vier, fünf Wochen. Das verzögert die Lieferkette.
Wo aber lag die Wurzel der Verwerfungen?
Das hat viele Facetten. Ehrlicherweise muss man sagen, dass niemand mit so einem Nachfrageboom gerechnet hat. Die Lager wurden geleert, und dann sind alle Branchen gleichzeitig angesprungen. Das läuft normalerweise antizyklisch. Da es kaum ein Elektrogerät mehr ohne Halbleiter gibt, haben wir jetzt einen Chipmangel. Die Nachfrage wird von den Konsumenten getrieben, aber es gibt auch noch andere Aspekte, wie die Investitionsprämie, die Investitionen in die Digitalisierung und die Elektrifizierung. Die Industrie und der Handel arbeiten Tag und Nacht an der Verfügbarkeit dessen, was nachgefragt wird.
Ebbt die Nachfrage nicht ab?
Ich rechne damit, dass Konsumenten das Geld nun wieder breiter verteilen, nachdem sie eine Zeit lang viel in ihr Zuhause investiert haben. Die Nachfrage wird zurückgehen, sodass sich die Lage im Herbst ein wenig entspannen wird – sofern es nicht zu noch einem Lockdown kommt.
Wünschen Sie sich sogar weniger Nachfrage, um Kunden nicht länger vertrösten zu müssen?
Unsere Lagerkapazitäten sind so, dass wir über längere Zeit gut auskommen. Als Händler freut man sich immer über eine gute Nachfrage. Aber Konsumenten sind es gewohnt, ins Geschäft zu gehen und die Ware gleich zu bekommen. Die Erfahrung, länger warten zu müssen, ist für viele neu. Unzufriedene Kunden sind aber schlecht fürs Geschäft. Wenn sich die Nachfrage ein wenig streckt, ist das im Moment kein Nachteil.
Was bedeutet die Knappheit für die Endpreise?
Alle versuchen, den Auftrieb so niedrig wie möglich zu halten. Aber es gibt Faktoren, die in Österreich nicht beeinflussbar sind. Die teureren Halbleiter, Kunststoffe und Metalle schlagen sich durch. Mit einer Deflation würde ich kurzfristig nicht rechnen, eher mit einer Stabilisierung.
Rexel Austria bedient nicht nur den Handel, sondern auch Gewerbe, Industrie und das Gebäudemanagement. Da wir vor einer Energiewende stehen, wird die Nachfrage in diesen Bereichen wohl noch lange weiter wachsen.
Da reden wir vom Green Deal, vom Ausbau der erneuerbaren Energien, der Digitalisierung der Gebäudeinfrastruktur, von smarten Gebäuden, von Energieeffizienz und CO2-Reduktion. Strom ist der Träger der Zukunft, idealerweise grüner Strom, das ist gut für unsere Branche. Die Energiewende wird einen Beitrag dazu leisten. Das elektrotechnische Gewerbe ist wichtig und wird immer wichtiger, das ist vielleicht nicht für jedermann wahrnehmbar. Aber es ist einer der Schlüssel für die energiepolitischen Ziele.
Diese Themen werden uns auf Jahre beschäftigen. Mit welchem Wachstum rechnen Sie?
Diese Frage beschäftigt uns alle. Mit dem aktuellen Wachstum hat niemand gerechnet. Eine Lehre daraus ist, dass wir von linearen Planungen etwas Abstand nehmen müssen, um stattdessen Verwerfungen erfolgreich managen zu können. Agilität wird eine größere Rolle spielen als bisher. Klar ist, dass das, was aus dem Green Deal in Österreich umgesetzt wird, zu sehr starkem Wachstum führen wird. Bei Fotovoltaik etwa werden es einige hundert Prozent sein. Demgegenüber steht der massive Fachkräftemangel. Davon wird unsere Geschwindigkeit abhängen. In Österreich fehlen aktuell tausende Elektriker.
Das künftige Umfeld – Stichwort ökosoziale Steuerreformen – wird Investitionen begünstigen, die den CO2-Abdruck im Gebäudesektor senken. Strom ist so wichtig – müssten wir nicht viel sparsamer damit umgehen?
Das größte Potenzial, das wir haben, ist der nicht verbrauchte Strom. Hier spielt Technologie eine große Rolle, zum Beispiel Wärmepumpen, Stromspeicher oder LED-Leuchten. Die Technologie ist schon da, aber was die Durchdringung betrifft, stehen wir erst am Anfang der Möglichkeiten. Wir werden mehr Bewusstsein für das Thema schaffen, was die Nachfrage erhöhen wird.
Wird die E-Mobilität für Sie ein wichtiges Thema?
Wir verkaufen bereits jetzt mehrere tausend E-Ladestationen pro Jahr. Der Bedarf wird enorm steigen, was noch einige Herausforderungen mit sich bringen wird.