Frau in Teilzeit und Mann in Vollzeit - das ist das klassische Familienarbeitszeit-Modell in Österreich - mit den bekannten Nachteilen für Frauen wie weniger Gehalt und später weniger Pension. ÖGB und Arbeiterkammer wollen das mit einem neuen Arbeitszeitmodell ändern. Ein Bonus vom Staat soll den Anreiz dafür geben, die Arbeitszeit beider Eltern im gleichen Ausmaß zu reduzieren. So könnte einer Familie sogar mehr bleiben als bisher, rechnet die Gewerkschaft vor.
Eltern leisten im Durchschnitt nach der Geburt eines Kindes 60 Stunden pro Woche Erwerbsarbeit, die Frau meist 20 Stunden in Teilzeit, der Mann Vollzeit. Das liegt meist daran, dass die Frauen weniger verdienen und man den Einkommensverlust besser abfedern kann, wenn die Frau Teilzeit arbeitet und nicht der Mann.
Halbe-halbe bei der Teilzeit
ÖGB und Arbeiterkammer wollen mit ihrem Modell erreichen, dass die Männer mehr Zeit für ihre Kinder haben und die Frauen finanziell nicht benachteiligt sind. Daher schlagen sie vor, dass es eine Pauschale von 250 Euro im Monat geben soll, wenn die Arbeitszeit 28 bis 32 Stunden pro Woche beträgt. Wenn sowohl der Mann als auch die Frau jeweils auf 80 Prozent Teilzeit reduzieren, dann erhöhe sich auch das verfügbare Haushaltseinkommen, erklärt ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann heute im Ö1-Morgenjournal. Auf Dauer würde die Familie jedenfalls besser dastehen, als mit dem klassischen "Eineinhalb-Verdienermodell".
Rechtlich orientiert man sich an den Regelungen für Elternteilzeit, Bildungsteilzeit und Altersteilzeit, diese sollen unverändert bestehen bleiben. Die neue Familienarbeitszeit soll für mindestens vier Monate bis zum vierten Geburtstag des Kindes in Anspruch genommen werden können. Finanziert werden soll sie über den Familienlastenausgleichsfond. "Es rechnet sich in Zukunft für die Familien, aber auch für die Frauen, die dadurch eine höhere Pensionsleistung zu erwarten haben", meint Korinna Schumann vom ÖGB. Bezahlte und unbezahlte Arbeit müsse besser aufgeteilt werden, die bisherigen Anreize würden zu wenig wirken.
Von der 250 Euro-Pauschale würden Frauen mit niedrigem Einkommen tendenziell mehr profitieren, die Pauschale sei außerdem transparent und leicht zu verwalten. Zugänglich sein soll das Modell soll sowohl in der Privatwirtschaft als auch im Öffentlichen Dienst.
Ingrid Moritz von der Arbeiterkammer sieht das neue Familienarbeits-Modell ebenfalls sehr positiv. "Der Anreiz, dass beide Elternteile ungefähr 30 Stunden arbeiten, ist eine bessere Motivation für Väter. Sie bleiben im Beruf und können auch weiterhin Karriere machen. Der Bonus gilt sowohl für die Mütter als auch für die Väter, wenn sie zwischen 28 und 32 Stunden arbeiten. In Summe sind das 500 Euro für die Familien." Auch Alleinerziehende sollen sie in Anspruch nehmen können.
Zustimmung in rot-grün
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sagte dazu bei einer Pressekonferenz, aus Arbeitsmarktsicht sei es wichtig zu schaffen, dass mehr Frauen Vollzeit arbeiten bzw. ihre Teilzeit-Arbeit auf mehr Stunden pro Woche aufstocken. "Mir ist wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, Vollzeit zu arbeiten". Dabei gehe es um den Ausbau der Kinderbetreuung, wo Österreich mehr Betreuung für Unter-Dreijährige Kinder brauche. "Es geht darum, dass Beruf und Familie vereinbar ist."
Zustimmung kam von der SPÖ und den Grünen. "Die Corona-Krise hat die Ungleichheit noch weiter verschärft. Da müssen wir dringend gegensteuern", fordert SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner.Es brauche ein ganzes Paket für die Frauen, etwa Halbe-Halbe in der Familie und im Beruf, ein Arbeitsmarktpaket für Frauen, die Hälfte der Mittel aus der Corona-Arbeitsstiftung für Frauen, Lohntransparenz und einen raschen Ausbau der Kinderbetreuung.
Die Grünen begrüßten das Modell ausdrücklich. "Vorschläge für eine gerechtere Aufteilung bezahlter Erwerbs- und unbezahlter 'Elternarbeit' gibt es schon länger und wurden auch schon von den Grünen bei den Regierungsverhandlungen eingebracht", so Markus Koza, Arbeits- und Sozialsprecher der Grünen, in einer Aussendung. Ein solidarisches Elternteilzeitmodell sei eine weitere wichtige Säule im Kampf gegen Frauenarmut im Alter und der gerechteren Verteilung von bezahlter Erwerbs- und oft genug unbezahlter Sorgearbeit", meinte auch Frauensprecherin Meri Disoski. Keine Reaktion gab es vorerst von der ÖVP.
Bei der FPÖ lehnt man das Modell ab. Eine Arbeitszeitverkürzung sei der falsche Weg, vielmehr sollten Kindererziehungszeiten besser angerechnet werden, meinte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch im Ö1-"Mittagsjournal". Keine Zustimmung kam auch von NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard: "Wir brauchen kein Halbe-Halbe bei Teilzeit, sondern ein System der Gleichberechtigung. Die Teilzeitfalle, die den Menschen nicht nur jede Selbstverwirklichung nimmt, sondern auch zu Altersarmut führt, auch noch zu fördern, ist der genau falsche Weg."