Man kennt es aus Spielewelten, aus James-Bond-Filmen, man sieht es bei Architekturpräsentationen: Virtuelle 3-D-Welten, Gebäudeentwürfe, durch die man via Computer durchsausen kann, wobei Leitungen und Netze aufleuchten.
Doch die Wirklichkeit ist leider prosaischer, wie Thomas Lorenz, Chef des gleichnamigen Ziviltechniker-Unternehmens weiß: „Die Baubranche ist relativ konservativ, auf der Baustelle halten solche digitalen Formen nur langsam Einzug.“
Sein Büro mit Standorten in Graz und Wien ist Vorreiter im Bereich von BIM, „Building Information Modeling“. Der sperrig als „Bauwerksdatenmodellierung“ übersetzte Begriff bezeichnet eine Methode, das gesamte Baugeschehen vom Entwurf über Planung, Bau, Ausstattung bis zum Abriss neu zu vermessen.
„Es geht nicht nur um eine geometrische Erfassung eines Gebäudes, sondern um eine richtige Datenbank, die allen zugänglich ist, die damit zu tun haben“, erläutert Lorenz das Konzept. Es handelt sich auch nicht um eine einzelne Software, sondern um eine ganze Landschaft von Tools für verschiedene Zwecke.
Von Leitungen bis Fluchtwege
Konkret gesprochen, wird aus dem 3-D-Architektenentwurf ein dreidimensionales Modell des Baus erstellt. Das ist die Basis von BIM. In dieses Modell werden dann buchstäblich alle Daten eingetragen, die mit dem Bau bzw. dem jeweiligen Bauelement zusammenhängen. Es geht dabei um die verwendeten Materialien, um Leitungen, um Dimensionierungen, um das Skelett (die Tragwerke), um die gesamte Gebäudetechnik. Ja sogar Vorschriften (Mindestabstände, Fluchtwegvorschriften) können eingepflegt werden. Eine virtuelle Wand „trägt“ also Dutzende zusätzliche Informationen. Beim VR-Spaziergang können diese Daten begutachtet und verändert werden.
Aber noch viel wichtiger ist es, dass aus diesem Datenmodell jeweils jene Datensätze herausgezogen werden können, die man für einen (Bau-/Planungs-/Umsetzungs-)Schritt benötigt. Nicht zu vergessen: Der Bauherr kann virtuell mit der VR-Brille durch das Gebäude spazieren. „Dadurch sind alle immer am gleichen Stand“, sagt Lorenz, die „Zettelwirtschaft“ am Bau gehört damit der Vergangenheit an.
Apropos „Zettelwirtschaft“: Bisher wurden immer wieder neue Pläne digital gezeichnet, wenn es zu Änderungen kam. Jetzt wird der jeweilige Plan einfach aus dem Modell herausgezogen. Genaugenommen „zeichnet“ man auch keinen Plan mehr, sondern man „modelliert“ ihn.
Gesamte Dokumentation
Aus dem BIM-Modell können viele weitere Daten extrahiert und weiterverarbeitet werden: Einreichpläne, Ablaufpläne, Materialanlieferungen, der Bautagesbericht. Automatisierte Verständigungen via E-Mail sind möglich, die gesamte Dokumentation ist im Modell verpackt. Nicht zuletzt kann auch die Abrechnung direkt aus dem Modell extrahiert werden.
Lorenz verhehlt nicht, dass der Weg dorthin nicht einfach ist. Es sind Investitionen nötig, auch in die Schulung der Mitarbeiter: „Vor zehn Jahren haben wir damit begonnen, in die Richtung zu denken. Vor vier Jahren suchten wir uns dann einen externen Berater.“ Auch die Bauherren müssen mitspielen. Es ist kein Zufall, dass das große Referenzprojekt, die Innovationszentrale der Knapp AG, von einer Firma kommt, die auf Automatisierungslösungen/Logistik spezialisiert ist.
Der Lohn der Mühe: „Der Gesamtaufwand ist geringer, wenn man die gesamte Kette betrachtet. Vor allem bei Änderungen ist das BIM extrem hilfreich.“
Virtueller Flug über Projekte des Ziviltechnikerbüros