Das AMA-Gütesiegel soll im Schweinefleischbereich weiterentwickelt und verbessert werden. Es steht rund um die Schweinehaltung in der Kritik von Tierschützern. Die Branche und Vertreter nachgelagerter Wertschöpfungsketten (inklusive Lebensmittelhandel) im Gremium der Agrarmarkt Austria (AMA) haben sich darauf geeinigt, dass nun ein Stufenplan ausgearbeitet wird, um bei der AMA-Gütesiegelrichtlinie "Haltung von Schweinen" ab 2022 stufenweise höhere Anforderungen umzusetzen.
Es geht laut Angaben des Landwirtschaftsministeriums um "gesteigerte Anforderungen im Bereich Tierwohl, Tiergesundheit, Fütterung, Qualitätssicherung und Schweinefleischqualität". Langfristige Vision sei eine Weiterentwicklung der Schweinhaltung hin zu mehr Tierwohl und eine Unabhängigkeit von Soja-Futtermittelimporten.
Update: Kritik an langen Übergangsfristen und fehlenden gesetzlichen Regelungen kam umgehend von den Grünen, der SPÖ und Tierschutz-Organisationen.
Bis 2032: Alle Gütesiegel-Betriebe ohne Vollspaltenböden
Ab sofort wird in die entsprechende Richtlinie ein zusätzliches, freiwilliges Modul zu "Mehr Tierwohl" mit 100 Prozent mehr Platz im Stall aufgenommen. Ein Modul mit 60 Prozent mehr Platz gibt es schon. In beiden Fällen sind zusätzlich eingestreute Liegeflächen vorgeschrieben. Bis 2030 soll insgesamt eine Million Mastschweine aus biologischer Haltung oder aus den freiwilligen "Mehr Tierwohl"-Modulen kommen.
Vervierfachung bei Bio und Tierwohl
- Eine Million Schweine entweder Bio oder mit dem "Mehr Tierwohl"-Gütesiegel - das würde einer Vervierfachung der jetzigen Zahlen entsprechen, so AMA-Sprecherin Manuela Schürr. Derzeit würden 250.000 Mastschweine (von insgesamt jährlich gut 2 Millionen im AMA-Programm) im Jahr nach dem
- Bis Ende 2026 sollen zudem Zuchtsauen- und Aufzuchtbetriebe vollständig ins AMA-Gütesiegel für Schweinefleischprodukte eingebunden werden.
- Bis Ende 2032 sollen dann alle Schweinemastbetriebe im AMA-Gütesiegel ohne Vollspaltenböden in ihren Ställen arbeiten.
- Festgehaltenes Ziel ist auch, dass das AMA-Gütesiegel in die heimische Eiweißstrategie einfließt, die bis 2030 eine Reduzierung von Übersee-Soja-Importen um 50 Prozent vorsieht.
Schrittweiser Umstieg auf gentechnikfreie Fütterung
Parallel dazu wird in der Branche daran gearbeitet, auch innerhalb des AMA-Gütesiegels stufenweise genetechnikfreie Soja in der Schweinefütterung verpflichtend vorzuschreiben. Zunächst bei den Tierwohl-Gütesiegeln und laut Ministerium "auf absehbare Zeit" auch generell beim AMA-Gütesiegel.
"Das bringt Verbesserungen bei der Tiergesundheit, bessere Fütterung und mehr Platz für die Tiere", hieß es von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in einer Mitteilung am Mittwoch. Der Handelskonzern Spar betonte heute, dass er seit über 25 Jahren ausschließlich auf heimisches Schweinefleisch mit dem AMA-Gütesiegel setzt. Der neue Stufenplan bringe nun "noch mehr Tierwohl und Klimaschutz".
"Nur gemeinsam mit Handel und Konsumenten"
Johann Schlederer, Geschäftsführer des Verbands landwirtschaftlicher Verarbeitungsbetriebe und Chef der Schweinebörse, verwies heute auf steigende Kosten für die Verbraucher. "Die Weiterentwicklung der Schweinemast ist nur gemeinsam mit Handel und Konsumenten möglich, denn die Mehrkosten für die Landwirtschaft werden sich im Preis widerspiegeln."
Der heimische Lebensmittelhandel meine heute, ein hochwertig produziertes Lebensmittel habe auch seinen Preis.
Der Bauernbund-Präsident Georg Strasser wiederum hielt fest: "Wir haben uns seit Monaten um eine Lösung bemüht, haben alle wichtigen Akteure eingebunden und sind heute mit diesem Beschluss sehr zufrieden."
Kritik von vielen Seiten: "Mit Tierschutz hat das nichts zu tun"
Update Donnerstag, 22. Juli: Die Grünen und die SPÖ kritisierten, dass die geplanten Regelungen nicht weit genug gingen und zu zaghaft umgesetzt würden. "Mit mehr Tierschutz hat das neue AMA-Gütesiegel nichts zu tun, von mehr Klimaschutz kann auch nicht die Rede sein. Die Grundlage für das Gütesiegelprogramm stellt nach wie vor eine tierverachtende Haltung", so Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen.
"Mit jährlich 50 Millionen Euro aus der 2,1 Milliarden Euro großen Agrarförderung gäbe es in fünf Jahren keine Vollspaltenböden mehr in Österreich. Ein neues AMA-Modul, wie von der Ministerin (Elisabeth Köstinger, Anm.) angekündigt, bringt jedoch kein Ende dieser qualvollen Haltung von Schweinen", kritisierte wiederum SPÖ-Landwirtschaftssprecherin Cornelia Ecker.
Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken, sieht die Arbeit des VGT bestätigt, weil es nun zu Veränderungen komme. Er nennt einige Vorstöße "löblich", vieles gehe aber viel zu wenig weit. Dass etwa ab 2030 1 von 5 Millionen Schweinen pro Jahr aus einem AMA-Tierwohlmodul mit Stroheinstreu stammen, sei zwar "sehr schön, nur sind das um 4 Millionen zu wenig."
Tierschützer orten "politisches Totalversagen"
Heftige Kritik kommt auch von der Bürgerinitiative oekoreich, und dem Mitinitiator des Tierschutz-Volksbegehrens Sebastian Bohrn Mena: "Die heute angekündigten Maßnahmen in der massiv auch aus Steuergeld finanzierten AMA werden zwar von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger als Erfolg verkauft, sind aber in Wahrheit das Zeugnis ihres politischen Totalversagens." Er kritisiert vor allem, dass keine gesetzliche Regelung für Vollspaltenböden vorgeschrieben, sondern dies ans AMA-System delegiert werde. Laut Borhn Mena würden nicht einmal die Hälfte aller Schweine unter den AMA-Gütesiegel-Standard fallen.
Gesetzliche Regelung gefordert
Die Tierrechtsorganisation Vier Pfoten meinte, die Weiterentwicklung des Gütesiegels sei zwar begrüßenswert, aber lange nicht ausreichend. "Es handelt sich um eine reine Branchenvereinbarung. Was wir aber gerade in der Schweinehaltung brauchen und seit Jahren fordern, sind klare gesetzliche Grundlagen", hieß es in einer Aussendung.
Einen schrittweisen Ausstieg aus dem Vollspaltenboden will Agrarministerin Köstinger über die Stallbauförderungen erreichen - wie berichtet gibt es ab 1. Jänner 2022 nur noch Förderung für Stallbauten, wenn sie keinen Vollspaltenboden aufweisen.