"Destillation erzeugt Hochprozentiges“ ist ein Satz aus dem Zehn-Punkte-Manifest für nachhaltige Mode von Cloed Baumgartner. Die studierte Innovationsmanagerin aus der Schweiz hat in Wien das Modelabel Milch gegründet und sich auf Männeranzüge und Hemden spezialisiert, die Milch zu Kleidern, Röcken, Jacken und Accessoires weiterverarbeitet. Das war 1998, als der Begriff Upcycling noch gar nicht in Mode war. Milch will eine ethisch bewusste und nachhaltige Modelinie sein. Das Rohmaterial, die „pensionierten“ Hemden und Anzüge also, kommt aus Wien.
Welche Auswirkungen hat die Kleidung, die man kauft, für die Umwelt? Seit Corona befassen sich Produzenten und Konsumenten immer stärker mit dieser Frage. Mit mehr als 340.000 Google-Suchanfragen pro Monat weltweit ist „Nachhaltigkeit“ ein Thema, das in Mode kommt. Studien von Deloitte haben jüngst ergeben, dass 43 Prozent der Konsumenten Marken aufgrund ihrer Umweltwerte auswählen. Und das deutsche Institut für Handelsforschung kann belegen, dass „die Kunden bei ihren Kaufentscheidung bei Mode zunehmend Wert auf nachhaltige Produktionsmethoden und die Herkunft der Waren legen“, sagt Stefan Genth, Chef des deutschen Handelsverbandes.
Der Handel mit recycelten, weiterverwerteten Kleisungsstücken ist eines der am schnellsten wachsenden Marktsegmente in der Modeindustrie.
So setzt der schwedische Texilhändler H&M mit seiner Second-Hand-Tochter Sellpy auf den Trend zu nachhaltiger Kleidung. Seit Anfang des Jahres ist der Onlinehänder auch in Österreich aktiv. Zalando bietet "Pre-owned"-Teile, also Sekondhand-Ware. Adidas hat Sneakers aus recyceltem Ozean-Plastik im Angebot und will "ab 2024 nur noch recycelten Polyester" in seinen Produkten verwenden.
Jüngst macht auch Humanic damit Marketing - und verkauft Taschen der Marke Karl Lagerfeld aus recyceltem Nylon unter dem Motto: "Nachhaltigkeit und Style Hand in Hand". Die Taschen tragen das neue Öko-Label "Go Green".
Am 5. Juli startete die Frankfurter Fashionweek unter dem Leitthema Nachhaltigkeit. Sie hat die Neonyt, die weltweit größte Messe für nachhaltige Mode integriert, nachdem diese stegit gewachsen ist.
Laut dem deutschen Nachhaltigkeits-Ökonom Jacob Hörisch von der Uni Lüneburg bewerten 75 Prozent der deutschen Modekonsumenten Nachhaltigkeit als wichtiges Kriterium für ihren Einkauf. Trotzdem kauft eine Person pro Jahr durchschnittlich 60 Kleidungsstücke - Socken und Unterwäsche nicht mitgerechnet. "Der Anteil ökologisch oder sozial zertifizierter Mode liegt nach wie vor nur bei ein bis vier Prozent des gesamten Umsatzes", sagt Hörisch. Da ist also eine deutliche Differenz zwischen den selbst gesetzten Zielen der Konsumenten und ihrem tatsächlichen Konsumverhalten.
2018 erzeugte die Europäische Union mehr als 2,35 Millionen Tonnen Textilabfall. Jetzt hat Reebok mit einer Studie europäische Städte anhand ihrer Kriterien für nachhaltige Mode bewertet. Untersucht wurde dabei die Menge der in einer Stadt anfallenden Textilabfälle. Und wie viel davon recycelt wird. Das Ergebnis: In Österreich krönt die Studie Graz als „beste“ Stadt für nachhaltige Mode. Mit 1687 Tonnen Textilabfall im Jahr, wovon 629 Tonnen recycelt werden und Ausgaben von jährlich 286,8 Millionen Euro für neue Kleidung. Dahinter folgen Innsbruck, Wien, Salzburg und Linz.
Kopenhagen gilt laut der Reebok-Studie in Bezug auf Mode als nachhaltigste Stadt in Europa, gefolgt von Antwerpen und Dublin, die irische Hauptstadt wandelt ihre gesamten Textilabfälle in nutzbare Wärme, Strom oder Brennstoff um. Dahinter folgen Helsinki und Edinburgh. Lissabon produziert den meisten Textilabfall, der Jahr für Jahr auf der Mülldeponie landet, nämlich mehr als 18.000 Tonnen.