Nach der Coronakrise zieht Österreichs Wirtschaft derzeit so stark an, dass die Ökonomen ihre Prognosen für heuer und nächstes Jahr deutlich nach oben schrauben. Das Wifo erwartet für heuer ein reales BIP-Wachstum um vier Prozent. 2022 sollen es sogar fünf Prozent werden, weil dann auch der Tourismus wieder florieren sollte. Vorsichtiger ist das IHS mit Prognosen von dreieinhalb und viereinhalb Prozent Wachstum.
Im Vorjahr hatte die Pandemie eine tiefe Rezession mit einem BIP-Einbruch um 6,3 Prozent verursacht. Ein besonders starker Konjunkturmotor ist derzeit die Industrie. Hier erwarten die Wirtschaftsforscher vom Wifo auch einen weiteren breiten Investitionsschub. Die Arbeitslosigkeit werde deutlich zurückgehen, bleibt zwar noch deutlich höher als vor der Pandemie, allerdings verläuft auch hier die Entwicklung etwas günstiger als ursprünglich berechnet. Nach 9,9 Prozent 2020 wird heuer ein Rückgang auf 8,4 Prozent und nächstes Jahr auf 7,9 Prozent erwartet.
Was Wifo-Chef Christoph Badelt besonders optimistisch stimmt, sind die wöchentlichen Datenerhebungen bei Unternehmen. "Wir werden schon im dritten Quartal dieses Jahres das Produktionsniveau vor der Krise erreichen," so Badelt. "Dieser Aufschwung geht viel schneller, als das die meisten erwartet haben. Nicht nur die Wirtschaftsforscher, sondern auch die Wirtschaftstreibenden selbst." Auch der Konsum sei nach dem letzten Lockdown wesentlich schneller als bei früheren Lockdowns angesprungen. Badelt: "Das hat enorme Dynamik ausgelöst."
International ziehen die Konjunkturlokomotiven China und USA das Wachstum an. Die Infektionszahlen sind zuletzt rapide zurückgegangen. "Dem Patienten, Österreichs Volkswirtschaft, geht´s wesentlich besser," so Badelt. Das Wifo geht bereits vom Beginn einer Hochkonjunkturphase aus. Das IHS verweist noch auf gewisse Restrisiken wie die starke Teuerung bei Rohstoffen, die die Notenbanken zu früheren Zinserhöhungen nötigen könnten sowie der weltweit sehr unterschiedliche Stand in der Pandemiebekämpfung. Sowohl Badelt als auch IHS-Interimschef Helmut Hofer stufen die Gefahr der Delta-Variante für Österreich Wirtschaft allerdings als eher gering ein. "Das gute zweite und gute dritte Quartal kann uns niemand mehr nehmen," argumentiert der im September scheidende Wifo-Chef.
Aus der Sicht beider Forschungsinstitute bringt der Aufschwung zwar auch einen spürbaren Preisauftrieb, Anzeichen für eine Inflationsspirale gebe es aber nicht. Auf Basis des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) pendele sich die Teuerungsrate heuer auf 2,2 bis 2,3 Prozent ein, nächstes Jahr sollte sie mit zwei Prozent genau auf der gewünschten Zielgröße der Europäischen Zentralbank landen.
Einen konkreten Vorschlag gegen die Überhitzungstendenzen am Bau richtet Badelt an die Politik: Bauprojekte im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds sollten lieber verschoben werden. Es gebe bereits so große Engpässe bei Kapazitäten und Material, mit noch mehr Geld treibe man die Preise nur noch weiter in die Höhe. Generell gelte es den Übergang von den massiven Corona-Staatshilfen zu einer normalen Wirtschaftspolitik "klug" zu gestalten. Dazu müsse man zu einer Individualisierung der Hilfen kommen, etwa bei Stundungen den Finanzämtern und Sozialversicherungen ausreichenden Spielraum für individuelle Lösungen einräumen.
Von der Politik erwartet Badelt, der künftig als Fiskalrat die öffentlichen Ausgaben akribisch im Blick haben wird, nun den Durchbruch in der Klimapolitik einerseits und Strukturreformen andererseits. Denn hohe Ausgabenbedürfnisse und das politische Versprechen niedrigerer Abgaben passten nicht zusammen. Badelt: "Ohne Strukturveränderungen wird sich dieser gordische Knoten nicht auflösen lassen." Großen Handlungs- und Aufholbedarf ortet er im Bereich Bildung.
2022 wieder deutlich entspannte Staatsfinanzen
Das gesamtstaatliche Defizit nach Maastricht-Kriterien dürfte heuer nach Wifo- und IHS-Berechnungen zwischen 6,6 und 7,4 Prozent des BIP betragen. 2022 könnte es um drei Prozent oder sogar unter drei Prozent liegen.
Für die Herbstlohnrunde, die für die Inflationsentwicklung ebenfalls von Bedeitung ist, kündigen die Gewerkschaft PRO-GE und GPA, bereits an, für einen "ordentlichen Reallohnzuwachs" eintreten zu wollen.