Normal ist im Handel noch lange nichts. Der Rückzug der Billig-Schuhkette CCC aus Österreich ist nur das jüngste Beispiel, wie die Pandemie Unternehmen aus dem Tritt gebracht hat. Ebenfalls nur einen Tag nach dem Beschluss, der Hotellerie mit Hilfsgeldern weiter unter die Arme zu greifen, setzt auch der Handelsverband neuerlich "einen Hilfeschrei an die Regierung" ab. Am meisten könnte den Unternehmen in der aktuell komplexen Situation das Vorziehen der geplanten Steuerreform helfen, so Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands.

Sonntagsöffnungen seien dagegen nicht sinnvoll - mit einer Ausnahme, nämlich einer touristischen Kernzone in Wien. Wien ist Österreichs einziges Bundesland, in dem diese Sonntags-Öffnungen nicht erlaubt sind. Will: "Sonntagsöffnungen darf es nur auf freiwilliger Basis geben". Für viele koste ein offener Sonntag schlicht zu viel Geld, mit jeder Kollektivvertragsrunde sei die Sonntagsbeschäftigung komplizierter und teurer geworden. "Nur über den Sonntag gewinnen wir nichts", so Will.

Massive Lieferprobleme bei vielen Produkten

Die Probleme im Handel sind noch immer vielschichtig: Bei vielen Produkten gibt es massive Lieferprobleme etwa mit bis zu sechs Monaten Wartezeit, wie Harald Gutschi, Unito-Chef und Vizepräsident des Handelsverbands, berichtet. Besonders akut ist das bei Elektro- und Elektronik-Artikeln, aber auch Spielwaren oder Sportartikeln. Der Höhepunkt "dieser größten Beschaffungskrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs" ist Gutschi zufolge zwar schon überschritten, für wichtige Verkaufsspitzen wie den Black Friday oder Weihnachten müsse man aber schon längst disponiert haben.

Gleichzeitig kämpfen viele Unternehmen mit Altwaren-Lagerbeständen und massiv gestiegenen Preisen für Neuware. Gutschi spricht von neun Prozent höheren Erzeugerpreisen, "einem enormen Margendruck", weil es praktisch keine Möglichkeit gebe, die höheren Preise einfach weiterzugeben. Auch der Personalmangel gilt im Handel inzwischen als teilweise dramatisch. Dorotheum-Retailchefin Karin Saey betont die starke Loyalität, die sich in der Krise zwischen Unternehmen und Mitarbeitern gezeigt habe: "Die Frage ist, wie können wir die Attraktivität, im Handel zu arbeiten, erhöhen". Die Lohnnebenkosten müssten gesenkt und über gute Ausbildung das Ansehen von Handelskarrieren verbessert werden. Mit Jahreswechsel wird das Entlohnungssystem auf den neuen Kollektivvertrag umgestellt, was finanziell eine Mehrbelastung für Betriebe bedeutet. Entsprechend schwierige Lohnverhandlungen erwartet Will für den Herbst.

"Euphorie ist noch nicht in der Breite angekommen"

Einer Anfang Juni durchgeführten Studie von EY zufolge rechnet die Mehrzahl der Handelsbetriebe heuer noch einmal mit einem Umsatzeinbruch von rund vier Prozent - und zwar auf der Basis vom ersten Coronajahr 2020, als der Umsatz im Schnitt um 25 Prozent kollabiert war. Rainer Will hält nach wie vor 5000 Betriebe für existenzgefährdet und sagt: "Die Euphorie ist noch nicht in der Breite angekommen". EY-Experte Martin Unger: "Wir werden in den nächsten Jahren so manche Übernahme sehen." Konkret berät EY auch bereits größere Unternehmen in die Richtung, die Krise zur Vergrößerung zu nutzen.

Will fordert von der Regierung, im Sommer Bilanz zu ziehen, um unfaire Auszahlungsmechanismen zu bereinigen. Dass fast ein Drittel der Unternehmen offenbar gar keine Hilfen bekommen habe, weil sie Bedingungen nicht erfüllten, sei "besorgniserregend". Klein- und Mittelbetriebe müssten noch einmal gezielt gefördert werden, vor allem, weil die Sommerzeit für viele Unternehmen Dürrezeit bedeute. Im Zuge einer Krisenlernkurve müsse es zudem zur "Redimensionierung der Kammern" kommen, in die flössen jährlich Milliarden, deren Größe sei unverhältnismäßig. Zudem verlangt er seit Langem eine Plattformhaftung für Verpackungsentpflichtung und ein Ende der Mietvertragsgebühr. Bei der globalen Mindeststeuer befürchtet er Schlupflöcher für die Mega-Konzerne, die gelte es zu schließen.