Das Abflauen der Pandemie und der Fortschritt beim Impfen sorgen inzwischen für einen kräftigen Aufschwung. Die Oesterreichische Nationalbank OeNB geht für heuer von 3,9 Prozent Wirtschaftswachstum aus, für nächstes Jahr von 4,2 Prozent. Das ist besser, als die Nationalbank bei ihrer Prognose im Dezember erwartet hatte. Hinterherhinken wird allerdings der in Östereich wichtige Tourismus. Der Totalausfall im Winter kann heuer selbst bei bestem Geschäft im Sommer nicht mehr aufgeholt werden.
Mit Argusaugen beobachten die Währungshüter allerdings die Inflation. OeNB-Gouverneur Robert Holzmann: "Was die Inflation anbelangt, das ist etwas, das jedem Gouverneur im EZB-Rahmen und auch darüber hinaus zu denken gibt." Vor allem wohl auch deshalb, weil die Teuerungsrate in den USA im Mai um fünf Prozent in die Höhe geschossen ist und in Österreich auf fast drei Prozent geklettert sein dürfte, was nach Jahren sehr niedriger Inflationsraten beachtlich, wenn auch erwartbar war.
Inflationsspirale oder nur temporärer Anstieg
Mögliche Antworten auf diese Entwicklung, die vor allem für Sparer eine Entwertung ihrer Guthaben bedeutet und im schlimmsten Fall in eine schwer kontrollierbare Inflationsspirale kippen kann, skizziert Holzmann extrem vorsichtig. Grundsätzlich gehen er und seine europäischen Kollegen von einem nur temporären Anstieg aus. Der EZB war es am Donnerstag in ihrer Sitzung jedenfalls wichtiger, an ihrer aktuellen Politik nichts zu ändern, um die Konjunktur nicht möglicherweise wieder abzuwürgen. Auch seien die Inflationsraten der USA und der Eurozone wegen unterschiedlicher Berechnungsbasen nicht direkt vergleichbar.
Sollten allerdings die USA bei weiter hoher Inflation demnächst - entgegen der jüngsten Politik - doch Zinserhöhungen beschließen, dann sorgte das bei der Europäischen Zentralbank zweifellos für Druck. Holzmann dazu: "Wir haben etwas Raum, um leichte Zinserhöhungen verdauen zu können." Welche Instrumente man dann verwende, um Zinserhöhungen zu vermeiden, werde sehr genaue Analysen erfordern, so der Gouverneur. Holzmann: "Es wird sicher Druck kommen". Die OeNB selbst setzt die Inflationsrate für Österreich in ihrer Prognose jedenfalls auf zwei Prozent für heuer an und auf 1,8 Prozent für 2022 und 2023.
"Wirtschaft beginnt wirklich durchzustarten"
Im Herbst kommt zum Thema Inflationsentwicklung ein sehr wichtiger Faktor zum Tragen: Die Lohn- und Gehaltsabschlüsse. Fallen sie hoch aus, heizt das die Inflation weiter an. Aktuell seien in Europa keine hohen Lohnabschlüsse zu beobachten, versichert Holzmann. Nachdem aber die Pandemie noch nicht ausgestanden ist und im Herbst auch eine vierte Infektionswelle ausbrechen könnte - was auch als Negativszenario von den Wirtschaftsexperten in Betracht gezogen wird - ist auch dieser Aspekt nicht unwesentlich für die Abschlüsse.
Eine vierte Welle würde übrigens rund einen Prozentpunkt Wachstum kosten, so die OeNB. Der Preisauftrieb bekäme dann einen kräftigen Dämpfer, wohingegen noch stärkeres Wachstum als aktuell erwartet auch die Inflation weiter in die Höhe treiben könnte. Nicht zuletzt etwa durch die Rohstoffknappheit, die derzeit sehr viele Märkte kennzeichnet.
Wenn OeNB-Chefökonomin Doris Ritzberger-Grünwald aufgrund des Impffortschritts sagt, "nun beginnt die Wirtschaft wieder wirklich durchzustarten", dann dürfte der Aufschwung auch sehr schnell dazu führen, dass etwa drei Milliarden Euro, die 2020 auf der hohen Kante landeten, von den Konten der Österreicher wieder in den Konsum fließen.
2020 hatte die Sparquote mit 14,4 Prozent einen Rekordwert erreicht. Knapp 32 Milliarden Euro sparten die österreichischen Haushalte 2020 an, damit landeten im Vergleich zum Vorjahr 20,4 Milliarden Euro zusätzlich auf Sparbüchern, Konten oder Wertpapierdepots. Der weitaus größte Teil davon ging laut Ritzberger-Grünwald auf Zwangssparen aufgrund fehlender Ausgabemöglichkeiten zurück, ein weit kleinerer Teil sei Vorsichtssparen gewesen etwa aus Angst vor Arbeitslosigkeit. Die Ökonomin sieht die hohe Sparquote als "Herausforderung", geht aber davon aus, dass sie heuer auf elf Prozent sinkt und 2022 mit 8,1 Prozent wieder in etwa Vorkrisenniveau erreicht. In Summe verfügen die Österreicher inzwischen über 275 Milliarden Euro Privatvermögen, das mehr oder weniger gut veranlagt ist. Vieles ist mit Null verzinst, die realen Verluste belaufen sich dadurch inzwischen auf mehrere Milliarden Euro jährlich.
Die real verfügbaren Einkommen der Haushalte hatten 2020 zumindest in Summe sehr gelitten und waren um 2,9 Prozent abgesackt. Heuer sollen sie um 0,6 Prozent steigen, 2022 um 2,4 Prozent und 2023 um 1,4 Prozent.
Run auf Immobilien
Dass es gleichzeitig einen Run auf Immobilien gibt, was gerade zu einem weiteren massiven Preisschub führt, wird in der OeNB sehr genau beobachtet. Noch stufe man die Entwicklung aber nicht so ein, dass in irgendeiner Form Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssten. Im Herbst im Rahmen des Finanzmarktstabilitätsberichtes werde man das Thema genau analysieren. Die Grundfragen seien, ob Erspartes in Immobilen investiert werde oder das in großem Stil mit geliehenem Geld passiere. Letzteres kann zu einer Immobilienblase führen, die auch jederzeit platzen kann. Zu billiges Geld, das massenhaft mit enormen Klumpenrisiken in den 2000er Jahren in den USA über Kredite in den privaten Häusermarkt gepumpt worden war, hatte die Finanzkrise 2008/09 produziert. Wenn die Preise am Immobilienmarkt wieder etwas sinken würden mit Verlusten für die eine und Gewinne für die andere Seite, mache das die Zentralbank noch nicht nervös, erklärte Holzmann. "Aber wenn die Finanzmarktstabilität gefährdet ist, das macht uns nervös."
Claudia Haase