Wenn bei Autos, Flugzeugen, Zügen oder Booten der Treibstoffverbrauch gesenkt werden soll, ist eine Messgröße seit jeher ausschlaggebend: Das Gewicht. Und so trägt die Leichtbau-Industrie mit ihren Komposit-Materialien in der Mobilität durchaus zur Nachhaltigkeit bei. Doch was diese schöne Erzählung stört: Egal ob Glasfaser- oder Karbon-Verbundmaterialien: Die Rohstoffe für Fasern und Harze werden aus Rohöl gewonnen.
Dass es auch anders geht, zeigen die Forschungsergebnisse von Andrea Todorovic. Die technische Chemikerin forscht am Institut für Werkstoffkunde und Prüfung der Kunststoffe an der Montanuniversität Leoben an neuen Verbundwerkstoffen, die auf nachwachsenden Rohstoffen beruhen und präsentierte die Ergebnisse am Leichtbautag des Mobilitätsclusters ACStyria am Red Bull Ring in Spielberg.
"Auf der einen Seite kann man bereits jetzt Glasfasern durch Naturfasern aus Flachs oder Hanf ersetzten", erklärt die Forscherin. Diese seien sogar leichter als die Kunststoff-Fasern. Natürlich seien Hanf und Flachs mechanisch nicht mit Glasfaser oder Karbon gleichzusetzen, sagt Todorovic. Aber durch das geringere Gewicht könne man das durch mehr Schichten ausgleichen.
Zitronensäure als Härter
Demonstrieren kann die Chemikerin das an dem Modell eines Flügels für eine kleine Windkraftanlage. Dort konnte die Naturmaterialien locker mit den Kunststoff-Varianten mithalten. Doch die Fasern sind nur ein Teil der Rechnung: "Die große Herausforderung ist das Herstellen des Harzes aus natürlichen Rohstoffen und vor allem des Härters. Diese sind derzeit aus Teils sehr bedenklichen und auch gefährlichen Rohstoffen."
Erst durch das Vermischen des Harzes mit dem Härter entsteht ein fester und stabiler Leichtbauteil. Epoxidharz aus Biomaterialien gäbe es hier bereits, sagt Todorovic. Diese basieren auf Pflanzenöl. "Ein echtes Problem ist der Härter." Hier liegt auch der Fokus der Forschungsgruppe der Montanuni.
"Wir haben gute Erfolge mit Zitronensäure als Härter." Diese müsse allerdings als feines gemahlenes Pulver mit dem Harz zu einer Dispersion vermischt werden, da die Zitronensäure einen hohen Schmelzwert hat. Das Ergebnis: Ein Epoxid aus komplett nachwachsenden Materialien, die noch dazu gesundheitlich unbedenklich ist.
Todorovic schätzt die Chancen gut ein, dass sich solche Natur-Verbundstoffe auch am Markt durchsetzen können: "Naturfasern können preislich sehr gut mit Glas- oder Karbonfasern mithalten. Je nachdem, welchen Stoff man genau nimmt. Ebenso das biobasierte Harz, das wir verwenden, da wir auf Zitronensäure als Härter setzen, die auch sehr günstig ist."
Erste Anwendungsmöglichkeiten sieht die Forscherin durchaus bei Bauteilen für Autos oder Gebrauchsgegenständen wie einem Hartschalen-Koffer. Im Hochleistungsbereich, etwas bei Flugzeugen, müsse man noch genauer erforschen, wie sich das Verbundmaterial bei unterschiedlichen Temperaturen verhält.
Abgeschlossen ist die Arbeit an diesen neuen Bio-Verbundstoffen noch nicht. "Derzeit erforschen wir, wie man den Bio-Härter in eine flüssige Form bekommt. Natürlich löst sich Zitronensäure ideal in Wasser. Allerdings kann man mit Wasser keine Hochleistungsanwendungen realisieren. Hier suchen wir derzeit nach einer besseren Alternative."
Doch nicht nur bei Verbundmaterial ist der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen inzwischen gefragt. Die Kombination von Holz und Naturfasern mit Kunststoffen steht in der Mobilitätsindustrie hoch im Kurs. Denn nicht zuletzt können die Automobilkonzerne so ihren CO2-Fußabdruck reduzieren. So wurde auch das Projekt „Wood C.A.R.“ vorgestellt. In Zusammenarbeit mit VW wurde dabei ein Überrollbügel für einen Strand-Buggy komplett aus Holz gefertigt.
Aussteller wie HTP zeigten, wie Autobauer in der Innenausstattung Holz mit Kunststoffen kombinieren können, um leichtere und stabilere Bauteile realisieren zu können. Wobei die aktuelle Entwicklung der Holzpreise von den Teilnehmern des Branchentreffs kritisch betrachtet wird. Das könne für den Werkstoff Holz im Autobau durchaus zum Hindernis werden.
Was Leichtbau leisten kann, zeigt auch das Racing-Team der TU-Graz mit dem neuen Tankia 2021. Denn geringes Gewicht und der damit verbundene geringe Stromverbrauch sind im Wettbewerb entscheidend.
Roman Vilgut