Eine weltweite Steuerreform ist nach Einschätzung von Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire in greifbarer Nähe. "Wir sind nur einen Millimeter von einer historischen Einigung entfernt", sagte er am Freitag am Rande des G7-Finanzministertreffens in London zur BBC. Allerdings sind wichtige Details weiterhin ungeklärt. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von sehr erfolgreichen Verhandlungen.
Er sei zuversichtlich, dass es spätestens am Samstag eine Verständigung geben werde, die die Welt ändern könne. Allerdings müsste jede Absprache unter den Industriestaaten danach im größeren Kreis noch bestehen - etwa bei G20 mit den wichtigsten Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien. Dabei dürfte das G20-Treffen im Juli in Venedig entscheidend werden.
Bis zum Samstag beraten die Finanzminister der sieben führenden Industrienationen (G7) noch in der britischen Hauptstadt. Die USA haben zuletzt eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für Großkonzerne vorgeschlagen. Zudem wird eine neue Form der Besteuerung von digitalen Dienstleistungen angestrebt, hier steckt der Teufel allerdings im Detail, was genau darunter zu verstehen ist.
Neue Regeln müssten ohne Ausnahmen gelten
Le Maire sagte, es gebe noch kleinere Differenzen, welche Unternehmen von einer Mindeststeuer erfasst werden sollten. Auch die genaue Höhe sei noch offen. Frankreich würde mehr als 15 Prozent bevorzugen. Der US-Vorschlag könne nur ein Startpunkt sein. Deutlich höhere Werte gelten international allerdings als unrealistisch. Le Maire ergänzte, er hoffe beim G7-Treffen auf eine Verständigung bei beiden Säulen der geplanten Steuerreform. Das würde ein starkes Signal senden. Die neuen Regeln müssten ohne Ausnahme für alle bedeutenden Internetfirmen gelten. Scholz sagte der BBC, mit einer Mindeststeuer würde das Rennen vieler Länder zu immer niedrigeren Steuersätzen durchbrochen.
Der britische Finanzminister und Gastgeber Rishi Sunak hatte zu Beginn der Gespräche Fortschritte angemahnt: "Wir können nicht mehr auf ein Steuersystem setzen, das zu großen Teilen aus den 1920er Jahren stammt." Die Welt schaue auf die G7-Gruppe und habe dabei hohe Erwartungen. Später hieß es, es habe gute Verhandlungen und auch Annäherungen gegeben. Es sei klar, dass große Internetfirmen einen angemessenen Teil an Steuern dort abführen müssten, wo sie operativ tätig seien.
Immer lautere Rufe nach fairer Besteuerung
Bei den zähen Verhandlungen über eine Steuerreform hatte es in den vergangenen Jahren keinen Durchbruch gegeben. Profiteure sind multinationale Konzerne, darunter viele Internet-Riesen wie Google, Facebook und Amazon. Sie zahlen dank geschickter Gewinnverlagerungen vergleichsweise wenig Steuern - und meist auch nicht dort, wo sie ihre Umsätze machen. Zugleich sind sie die großen Gewinner der Coronavirus-Krise. Die Rufe nach einer faireren Besteuerung von Unternehmen sind deswegen zuletzt immer lauter geworden, zumal die Schulden vieler Staaten wegen der Pandemie in die Höhe geschossen sind.
Das Finanzministertreffen findet im Lancaster House, einer herrschaftlichen Villa aus dem 19. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe zum Buckingham Palast statt. Es ist die erste persönliche Zusammenkunft der G7 seit dem Regierungswechsel in Washington. Mit der neuen US-Finanzministerin Janet Yellen wird wieder auf eine stärkere internationale Zusammenarbeit gesetzt - nach Jahren der Entfremdung und Handelsstreitigkeiten.
"Alle und ausnahmslos"
Die USA haben auch vorgeschlagen, sich bei der Steuerreform auf die 100 größten und profitabelsten Firmen der Welt zu konzentrieren. "Klar muss aber sein, dass jede Regelung, auf die wir uns am Ende verständigen, beinhaltet, dass die großen digitalen Plattform-Unternehmen dabei sind - und zwar alle und ausnahmslos", sagte Finanzminister Olaf Scholz diese Woche in einem Reuters-Interview. In Europa wird teilweise befürchtet, dass Amazon mit seiner relativ geringen Marge im operativen Geschäft womöglich durch das Raster fallen könnte.