Corona hat uns überall einen Digitalisierungsschub beschert. Birgt das in Kombination mit dem anhaltenden Zinstief nicht vor allem für eine kleine Bankengruppe wie die Volksbanken Ertragsdruck?
GERALD FLEISCHMANN: Dieser Schub wird bei uns dauerhaft dazu führen, mehr im Homeoffice arbeiten zu können. Bei den Kunden ist er natürlich auch angekommen. Wir hatten vor allem in den Lockdowns viel weniger Kundenansprache und geringere Produktverkäufe erwartet, tatsächlich eingetroffen ist aber genau das Gegenteil.
Was bedeutet das dann?
Ich bin mir sehr sicher, dass das nicht zurückgedreht wird. Wir glauben zwar auch nicht an rein digitales Banking. Das Business wird noch viel mehr als bisher Beratung sein. Da wird sich die ganze Bankenindustrie wandeln in Richtung viel mehr individueller Gespräche in den Filialen, dafür wird es dort viel weniger Service und rein administrative Tätigkeiten geben.
Müssen die Volksbanken bei der Filialdichte nachjustieren?
Wir haben mit 249 Filialen unsere Zielanzahl erreicht. Es ist nicht auszuschließen, dass die eine oder andere davon einmal optimiert wird, weil es dort weniger gut funktioniert, woanders aber besser, aber wir haben keine Schließungen vor.
Andere Unternehmen setzen im Zuge der Digitalisierung tiefe Personalschnitte, die Uniqa zum Beispiel. Bei den Volksbanken bleibt der Mitarbeiterstand stabil?
Bei uns ist kein Mitarbeiterabbau zu erwarten. Nachdem wir 2015 mit 460 Filialen und 4800 Mitarbeitern die Restrukturierungen begonnen und jetzt etwas mehr als 3000 Mitarbeiter haben, wollen wir stark im Markt präsent sein. Wir wollen bei der Vergabe von Kommerzkrediten für Klein- und Mittelbetriebe Kunden gewinnen. Die Post-Corona-Ära macht uns keinen Druck. Wir haben unsere Kostenbasis seit 2015 um gut 100 Millionen Euro reduziert.
Das Vorjahresergebnis ist im Vergleich zu 2019 allerdings sehr kräftig abgesackt, speziell, weil Sie hohe Vorsorgen gebildet haben. Lösen Sie die wieder auf?
Die Risikovorsorgen haben wir für das damalige schlimmste Szenario getroffen. Diese 120 Millionen Euro waren aber nur ganz pauschale Berichtigungen, keine Einzelwerte. Dort hatten wir eine positive Entwicklung.
Beunruhigen Sie mögliche Nachhol-Effekte bei den Pleiten?
Wir merken klar, dass die Hilfsleistungen bei den Kunden ankommen. Obwohl wir relativ stark im Tourismus exponiert sind und wir auch viele Kredite im Handel vergeben haben, sehen wir an sich keine Schwierigkeiten bei den Kunden-Portfolios. Wir gehen von dem Szenario aus, dass wir mit dem Impfen gut durch den Sommer kommen und wir im Herbst nicht noch einmal einen Lockdown erleben werden. Dann wird ein großer Teil der Vorsorgen wieder aufgelöst.
Es kommt keine Pleitenwelle?
Das kommt darauf an, was man vergleicht. 2020 war die Zahl historisch niedrig. Wir rechnen schon damit, dass 2021 schlimmer sein wird als 2019. Es gibt diese Diskussion über Klippeneffekte, wir erwarten die nicht und glauben, es kommt zu einem Boom bei Dienstleistungen und Konsum. Man tut sich ja schwer, schnell einen Professionisten zu finden. Und auch die Baukosten steigen.
Wie beurteilen Sie die Inflationsgefahr?
Wir dürften das erste Mal seit der Krise 2018 höhere Inflationszahlen haben. Es gibt einige, die sagen, dass die höheren Raten auch schnell wieder nachlassen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht noch mehr als die zwei Prozent, die die EZB gern hätte, sehen werden.
Die Direktbank INGDiba zieht sich gerade aus Österreich zurück, weil sie nicht genug verdient. Verdienen die Volksbanken genug?
Wir sind zufrieden mit dem, was wir mittlerweile verdienen. Für mich ist der Rückzug ein Zeichen dafür, wie wichtig es ist, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu haben. Die haben Einlegern die höchsten Zinsen gezahlt. Die klassischen Geschäftsbanken haben sich gewundert, wie die das machen. Zahlt man bei Spareinlagen über dem Markt, bleibt man nicht nachhaltig im Geschäft.
Was ist jetzt für Sparer ein nachhaltiges Modell?
Wir müssen über Vermögensaufbau statt über klassisches Sparen sprechen. Trotz leicht steigender Inflation werden die kurzfristigen Zinsen nicht steigen. Wir beraten alle Kunden in Richtung Fonds. Die sind auch das, was am meisten nachgefragt wird. Es gibt derzeit Umsätze auf der Wertpapierseite, die wir vorher noch nie gesehen haben, 20 bis 30 Prozent plus.
Infolge der Pleite der Commerzialbank Mattersburg würden Sie gerne wie Raiffeisen eine eigene Einlagensicherung aufstellen, die Volksbanken sind aber zu klein. Wie viel kostet Mattersburg den Volksbanken-Verbund?
Nach heutigem Wissensstand leicht über 40 Millionen Euro, obwohl dort kein Geld von uns gelegen ist. Das ist eine ganze Menge. Das müssen wir wieder abdienen. Natürlich ist man da emotional. Speziell, wenn Kunden mit stark erhöhten Sparzinsen angelockt wurden. Wenn die weltumspannende Wirecard 2,5 Milliarden Euro versenkt hat, sind alle ganz aufgeregt. Bei uns hat eine Mini-Bank im Burgenland 500 Millionen versenkt, das steht doch in keiner Relation zueinander.
Über was sind Sie beim Kontrollversagen am meisten sauer?
Das sage ich jetzt im Detail nicht. Es gibt ja von der Einlagensicherung eine Amtshaftungsklage (sie fordert jene 490 Millionen zurück, die über die Einlagensicherung an Geschädigte ausgezahlt wurden, Anmerkung). Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Claudia Haase