Ob hier nun tatsächlich eine globale „Jahrhundert-Reform“ bevorsteht, wie teilweise bereits euphorisiert zu vernehmen war, sei einmal dahingestellt. Zweifellos kann man aber von weitreichenden Weichenstellungen sprechen, die noch vor Kurzem illusorisch schienen. Wenn ab dem heutigen Freitag die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten (G7) in London zusammenkommen, wollen sie den Grundstein für eine globale Mindeststeuer für Konzerngewinne legen. Die G7 setzen sich aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, USA, Kanada und Japan zusammen.
Zuletzt war – nach einem Vorschlag der USA – von einer Größenordnung von 15 Prozent die Rede. Was bedeutet das? Die Steuer auf Gewinne sollte in keinem Land unter diesem Wert liegen, in Österreich liegt die sogenannte Körperschaftssteuer beispielsweise bei 25 Prozent. Der Hintergrund dieses Vorstoßes ist der seit Jahren wachsende Unmut über einen Steuerwettbewerb nach unten, diesem Wettrennen soll ein Ende gesetzt werden.
Einigung über den Sommer?
Vielen globalen Konzernen – und hier insbesondere Internet-Giganten wie Amazon – wird vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen kaum beziehungsweise vergleichsweise wenig Steuern auf ihre Gewinne zu zahlen. Vereinfacht gesagt, siedelt man sich dort mit der Zentrale an, wo die Gewinnsteuer am niedrigsten ausfällt.
Kommentar von Manfred Neuper
Doch die Forderung nach „Steuergerechtigkeit“, also einem faireren Beitrag dieser Giganten, wird lauter und lauter. Das Zeitfenster scheint günstig zu sein, schließlich türmen sich die staatlichen Schuldenberge vor dem Hintergrund der Pandemiebekämpfung in noch nie gekannte Höhen. Eine Einigung der G7-Finanzminister ist freilich noch nicht mit einer Umsetzung gleichzusetzen, sehr wohl aber mit einer wichtigen Vorlage. Denn im Juli treffen sich dann die G20-Staaten – also erweitert um die wichtigsten Schwellenländer, darunter China und Indien – in Venedig. Dann soll die Steuerreform, die momentan bei der Industriestaaten-Organisation OECD erarbeitet wird, politisch unter Dach und Fach gebracht werden. Läuft alles so, wie sich die Befürworter das wünschen, dann soll am Ende ein Übereinkommen von 140 Ländern fixiert werden – das könnte Ende Oktober erfolgen. Österreich plädierte übrigens stets für so eine Lösung auf OECD-Ebene.
Diese globale Steuerreform, deren Ziel das Austrocknen von Steueroasen ist, soll auf zwei Säulen fußen. Neben der Mindestkonzernsteuer ist auch eine gemeinsame Digitalsteuer angedacht, um die im Hintergrund aber noch heftig gerungen wird. Durch die sollen Internet-Riesen wie Amazon, Google, Facebook oder Apple nicht nur am Firmensitz, sondern auch dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen. Auch hier ist eine möglichst weltumspannende Antwort von immenser Bedeutung, weil sonst endgültig ein Fleckerlteppich an nationalen Lösungen zu erwarten wäre.
"Richtung stimmt, aber ..."
Bricht nun also tatsächlich der Anfang vom Ende der Steueroasen an? „Die Richtung stimmt, es ist ein Schritt gegen globale Steuervermeidung“, betont Wifo-Ökonom Simon Loretz. Er hält auch die bisweilen vernehmbare Euphorie und den Optimismus, der rund um die jüngsten Entwicklungen zu beobachten sei, „für nötig, um einen Kompromiss zu erzielen“. Man könne sich in diese Frage nur global und gemeinsam behaupten. Gleichzeitig schränkt der Experte für internationalen Steuerwettbewerb aber auch ein: „Bis die Steueroasen tatsächlich ausgetrocknet sind, ist es noch ein sehr, sehr weiter Weg.“ Letztlich hänge alles von der konkreten Ausgestaltung ab und hier gebe es noch zahlreiche Unwägbarkeiten. Selbst bei einer sehr breiten Einigung könne beispielsweise niemand Singapur vorschreiben, dass die sich auch daran halten, so Loretz. „Klar ist aber auch, je mehr Länder mit dabei sind, desto mehr Gewicht hat so ein Regelwerk und damit entsteht auch ein gewisser Druck auf verbleibende Steueroasen.“
"Kratzen nur ganz oben an der Spitze des Eisbergs"
Die geplanten Anwendungsbereiche einer solchen globalen Mindeststeuer seien aber noch recht eng, „man zielt vor allem auf sehr große Konzerne ab – und die haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie sehr flexibel auf so etwas reagieren können“. Die derzeitigen Pläne „kratzen nur ganz oben an der Spitze des Eisbergs, doch die Idee ist richtig, die Problematik wurde erkannt, fraglich ist nun, wie die Lösungswege und die Ausgestaltung im Detail aussehen werden“.