Das Inflationsgespenst geht um – und heizt auch die Sorgen der Bevölkerung an. Laut einer aktuellen market-Umfrage im Auftrag von „Trend“ gehen 83 Prozent der Österreicher „auf jeden Fall“ (37 Prozent) oder „eher schon“ (46 Prozent) davon aus, dass die Inflation stärker ausfallen wird als in den vergangenen Jahren. Insbesondere in den Bereichen Wohnen, Sprit und Lebensmittel werden Verteuerungen erwartet. Die aktuelle Schnellschätzung der Statistik Austria scheint diese Befürchtungen zu stützen. Im Mai hat die Teuerungsrate demnach auf 2,8 Prozent zugelegt, das ist der höchste Stand seit Jänner 2012. Die Experten liefern aber auch eine statistische Begründung mit: So sei der Anstieg der Verbraucherpreise hauptsächlich „auf die ungewöhnlich niedrigen Preise für Treibstoffe und Energie im Mai 2020“ zurückzuführen. „Da sich diese mittlerweile wieder erholt haben, entfällt die vormals preisdämpfende Wirkung“, erklärt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
In den USA schockte zuletzt eine Inflationsrate von 4,2 Prozent im April, in Deutschland ist die Inflationsrate im Mai mit 2,5 Prozent auf das höchste Niveau seit knapp zehn Jahren geklettert. Auch hier wird primär mit der Preisentwicklung bei Ölprodukten und Energie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – als die Preise im Keller waren – argumentiert. In den Zentralbanken geht man daher von „temporären Effekten“ aus.
Doch die Kombination aus steigenden Rohstoffpreisen und Vormaterialien, nach wie vor lädierten Lieferketten, einer anziehenden Konjunktur bei gleichzeitiger Nullzinspolitik und den gigantischen staatlichen Hilfspaketen zur Pandemiebekämpfung führen bei einigen Ökonomen auch zu Sorgenfalten.
"Lieferketten, die aus dem Gleichgewicht geraten sind"
Der Volkswirt Friedrich Schneider sieht neben dem Faktor der Öl- und Energiepreisentwicklung ebenfalls die „Lieferketten, die aus dem Gleichgewicht geraten sind“, als einen Hauptgrund für die gegenwärtige Entwicklung. „So sind beispielsweise die Frachtkosten explodiert und Rohstoffe wie etwa Bauholz haben sich stark verteuert.“ Wenn plötzlich verringertes Angebot auf starke Nachfrage treffe, „dann reagieren die Preise“. Kann das gut gehen? Bisher gebe es aus Sicht Schneiders keine Anzeichen, dass die „leichte Geldpolitik der Zentralbanken die Inflation befeuert“. Man müsse das aber im Auge behalten. Komme es nun konsumseitig zu Schockwellen und ziehen auch die Löhne nach, dann seien längerfristige Effekte möglich. Dass die Nullzinspolitik auch ein „gigantisches Feldexperiment ist, das die Frage aufwirft, wie man da wieder herauskommt“, verhehlt Schneider nicht. „Die Frage ist aber auch, gab’s Alternativen dazu und hier glaube ich, dass es die nicht gab.“