Österreichs Wirtschaft wird heuer um 3,4 Prozent und 2022 um 4,2 Prozent wachsen und damit Ende 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen, prognostiziert die OECD. Dank anziehendem Welthandel und großzügigen Staatshilfen wird es einen Schub bei den Investitionen geben. Zugleich werden die Haushalte weniger sparen und damit den Konsum anheizen. Dank Impfungen werden die Menschen wieder mobil, was dem Tourismus und der Gastronomie auf die Beine hilft.
Damit ist die Prognose deutlich besser als vor sechs Monaten, als die OECD der heimischen Wirtschaft 2021 nur 1,4 Prozent und 2022 nur 2,3 Prozent Wachstum zugetraut hatte. Dennoch kommt der Aufschwung in Österreich nur verzögert an. Er wird heuer deutlich unter den Werten im Euroraum (4,3 Prozent), in der OECD insgesamt (5,3 Prozent) oder auch in den USA (6,9 Prozent) liegen. 2022 könnte das Wachstum in Österreich dann annähernd gleich stark sein wie im Durchschnitt des Euroraums (4,4 Prozent), aber über dem OECD-Schnitt (3,8 Prozent) und über dem US-Wachstum (3,6 Prozent) liegen. In China und Indien sind heuer Wachstumsraten von 8,5 bzw. 9,9 Prozent vorhergesagt.
In Österreich wird laut OECD die Arbeitslosenquote zwar sinken, aber bis Ende 2022 nicht auf das Vorkrisenniveau zurückkehren. Dafür werden die Preise vorübergehend stärker steigen, wobei die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von rund zwei Prozent Inflation (HVPI) ausgeht. Die Neuverschuldung Österreichs, die 2020 bei 8,9 Prozent lag, geht heuer auf 7,3 Prozent und 2022 auf 3,1 Prozent zurück. Der Schuldenstand (nach Maastricht) steigt heuer auf 88,6 Prozent des BIP und sinkt danach nur geringfügig (2022: 88,0 Prozent). Vor Ausbruch der Pandemie war die Verschuldung bei 70,5 Prozent gelegen.
"Einführung steuerlicher Anreize für Eigenkapitalbildung"
Ein Sparprogramm hält die OECD aber vorerst nicht für angebracht. "Die Fiskalpolitik sollte konjunkturstützend ausgerichtet bleiben, bis die Erholung richtig in Gang ist", heißt es in dem am Montag veröffentlichten Länderbericht zu Österreich. "Um in allen Wirtschaftszweigen und Regionen eine gleichmäßige und reibungslose Erholung zu garantieren, müssen die zuständigen staatlichen Stellen gegen die hohe Verschuldung kleiner Unternehmen in dem von der Pandemie besonders stark getroffenen Gastgewerbe vorgehen." Die OECD empfiehlt Österreich die Einführung steuerlicher Anreize für Eigenkapitalbildung und Gewinneinbehaltung, "zur Förderung von Unternehmensfinanzierungsoptionen, die keine Schulden verursachen".
Die Projektionen seien mit erheblichen Abwärtsrisiken behaftet, warnt die OECD. Werden etwa die Reisebeschränkungen nicht aufgehoben, könnte der Aufschwung des Gastgewerbes ausbleiben. An diesem hängen aber 10 Prozent der Arbeitsplätze. Wenn die "überhöhte Ersparnisbildung" der privaten Haushalte nicht so rasch zurückgeht wie angenommen, würde der private Konsum nicht anspringen.
"Die staatlichen Stellen sollten sich bereithalten, für zusätzliche Impulse zu sorgen, falls Abwärtsrisiken eintreten" empfiehlt die OECD. Ein nachhaltiges Wachstum könnte durch gut gezielte Erhöhungen der öffentlichen Ausgaben für die digitale Infrastruktur und den Klimaschutz gefördert werden. Zu empfehlen seien auch zusätzliche öffentliche Ausgaben, mit denen die Ausstattung der Schulen und Universitäten mit digitalem Lehrmaterial verbessert und die Zahl der Lehrkräfte auf allen Bildungsstufen erhöht würde.
"Stärker wachsen als Deutschland"
Vom Kanzler abwärts zeigte sich die ÖVP-Regierungsmannschaft erfreut über die neue OECD-Prognose und sieht sich in ihrer Politik bestätigt. "Das zeigt, dass die Wirtschaftshilfen funktionieren und bestätigt auch, dass wir gut durch die dritte Coronawelle gekommen sind", erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) pflichteten bei. "Wenn die Prognosen eintreffen, wird Österreich heuer stärker wachsen als Deutschland oder die Schweiz, obwohl das für den Tourismus so wichtige erste Quartal de facto komplett ausgefallen ist", so Blümel.
Kritik der Opposition
NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn betonte, dass jetzt die Schritte dafür zu setzen seien, damit der Aufschwung "auch unterstützt und nachhaltig abgesichert" werden könne. "Wieder einmal spricht die OECD konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von KMU in Österreich aus - es braucht nun endlich auch eine Umsetzung der Maßnahmen", forderte Schellhorn mit Blick auf mehr Finanzierungsoptionen, um die zu erwartende Pleitewelle unter kleinen und mittleren Unternehmen nach Auslaufen der Hilfen und Stundungen Ende Juni abzufedern."Bis zum Herbst werden dann viele nicht durchkommen." Es wäre "unbegreiflich und verantwortungslos, wenn hier nicht rasch etwas vorgelegt wird".
Heftige Kritik an der Regierung kommt aus dem Lager der SPÖ: Wegen "schlechten Pandemiemanagements und falscher Wirtschaftshilfen" erhole sich Österreich langsamer als andere in der EU - wie etwa Italien oder Griechenland - von der Krise. Wie die NEOS sieht auch SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter viele kleine und mittelgroße Unternehmen unter die Räder kommen, sobald die staatlichen Hilfszahlungen Ende Juni auslaufen. Nachfolgeregelung gibt es bis dato noch immer keine. Zudem seien "große Summen der Wirtschaftshilfen an jene Unternehmen geflossen, die sie am wenigsten brauchen". Zu den Profiteuren der Hilfszahlungen der Bundesregierung gehörten etwa "global agierende Konzerne, die in Österreich keine Steuern zahlen, Luxushotelbetreiber oder riesige Elektrohandelsketten", so Matznetter. In Pressekonferenzen spreche die Regierung zwar "salbungsvoll von einem 'wirtschaftlichen Comback'", habe aber in Wahrheit "kein handfestes, echtes und umfangreiches Konjunkturpaket mit sinnvollen Maßnahme vorgelegt", so der Oppositionspolitiker.
Statistik Austria: Zeichen stehen auf Erholung
Österreichs Wirtschaft ist zu Jahresbeginn noch geschrumpft, inzwischen stehen die Zeichen aber insbesondere in der Industrie und am Bau klar auf Erholung. Dort lagen die Umsätze im April bereits bei 108,6 Prozent des Vorkrisenniveaus vor zwei Jahren. "Wenn die Pandemie eingedämmt bleibt, spricht vieles dafür, dass Österreich mit Schwung aus der wirtschaftlichen Krise herauskommen wird", sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Montag.
Der Blick zurück aufs erste Quartal zeigt aber noch ein düsteres Bild: Gegenüber dem Vorquartal lag das Bruttoinlandsprodukt im Zeitraum Jänner bis März real um 1,1 Prozent tiefer, saison- und arbeitstagbereinigt. Im Jahresabstand betrug der Rückgang 5,5 Prozent, gab die Statistik Austria bekannt.
Bis März sei die Wirtschaftsleistung Österreichs heuer bei nur 91,5 Prozent des Vorkrisenniveaus gelegen, bezogen auf das erste Quartal 2019, erklärte Tobias Thomas bei der Präsentation des "Austrian Recovery Barometer", das die Statistik Austria vierteljährlich veröffentlicht. "Die wirtschaftliche Lage Österreichs war im ersten Quartal weiterhin angespannt."
Gastro und Beherbergung am stärksten betroffen
Am stärksten waren von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die Bereiche Beherbergung und Gastronomie betroffen, deren Wirtschaftsleistung um 79,1 Prozent unter dem Vorkrisenniveau lag, erklärte Statistik-Austria-Volkswirt Ferdinand Leitner. Beim Verkehr liegen die Einbußen bei 22,7 Prozent, gefolgt von personenbezogenen Dienstleistungen wie Friseure mit einem Minus von 16,7 Prozent.
Auch beim Außenhandel gab es ab dem zweiten Quartal 2020 massive Einbrüche, zuletzt noch einmal im Jänner, aber im Februar hat eine Erholung eingesetzt. Zuwächse gab es bei den Exporten vor allem in die asiatischen Länder mit +29 Prozent nach China und 26,6 Prozent nach Japan. Der Exportschlager waren medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse mit einem Plus von 10,4 Prozent. "Wir sehen, dass sowohl die Exporte als auch die Importe - die Importe mit 96,8 Prozent, die Importe mit 97 Prozent - schon sehr gut wieder an das Vorkrisenniveau angeschlossen haben", sagte Leitner. Das beziehe sich auf den aktuellsten verfügbaren Wert vom Februar.
"Kräftige Zuwachsraten"
Während Österreichs Wirtschaft also im ersten Quartal noch im Krisenmodus war, gebe es insbesondere bei Industrie und Bau positive Signale, sagte Thomas. "Wir sehen, dass wir bereits im Februar/März, aber insbesondere auch auf Basis vorläufiger Zahlen für den April deutlich kräftige Zuwachsraten im Vergleich zum Vorjahresmonat haben." Der Zuwachs gegenüber dem Vorjahresmonat habe 46 Prozent betragen, wobei aber der Vorjahresmonat besonders schlecht ausgefallen sei. Im April 2021 liege der Austrian Recovery Index mit 108,6 Prozent für Industrie und Bau deutlich über dem April 2019. "Das bedeutet also, dass Industrie und Bau die Krise bereits hinter sich haben."
Weiterhin schwierig sei die Situation noch im Tourismus. Die Nächtigungen hätten in der Wintersaison 2020/21 nur 7,6 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2018/19 betragen. Bei den Inländern seien die Nächtigungen auf 24 Prozent eingebrochen, bei den Ausländernächtigungen habe es mit 2,8 Prozent nahezu einen Totalausfall gegeben. "Wenn neben Industrie und Bau, die die Krise schon hinter sich haben, nun auch Tourismus und Dienstleistungen insgesamt Fahrt aufnehmen, dann wird Österreich mit Schwung aus der wirtschaftlichen Krise herauskommen. Dafür spricht alles, was wir an Daten vorliegen haben."
Langsame Erholung bei der Beschäftigung
Die Beschäftigung ist 2020 mit -2,1 Prozent noch kräftiger eingebrochen als während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 mit -1,5 Prozent. Schlimmeres sei durch die Kurzarbeit verhindert worden, sagte Thomas. Die geleisteten Arbeitsstunden seien im letzten Jahr um 8,8 Prozent zurückgegangen. Im März und April habe die Beschäftigung nun deutlich zugelegt - das habe nicht nur saisonale Gründe. Bei den unselbstständig Beschäftigten liege das Austrian Recovery Barometer im April 2021 bei 99,6 Prozent im Vergleich zum April 2019. Die nationale Arbeitslosenquote liege im April mit 8,6 Prozent um 1,3 Prozentpunkte über dem April 2019. Besorgniserregend sei die Langzeitarbeitslosigkeit, die sich seit 2014 bis 2020 verfünffacht habe.