„Politik ist mein Hobby“, lässt sie im Verlauf des Gesprächs wissen. Gleichzeitig sei es ihr wichtig zu sagen, und Lisa-Marie Fassl hat zweifelsohne viel in schnell aneinandergereihten Worten zu sagen, dass sie die Rolle der neuen Start-up-Beauftragten aus „intrinsischen Motiven, unabhängig von Parteipolitik“ mache. Wie lange sie die ehrenamtliche Position ausfüllen wolle? Nun, der Vertrag gehe jedenfalls „ein Jahr“, erzählt die gebürtige Burgenländerin. Entscheidend sei, dass in diesem Jahr „auch etwas weitergeht.“ Punkt.
Wie gut kamen Österreichs Start-ups bisher wirklich durch die Krise?
LISA-MARIE FASSL: Viele der Start-ups tatsächlich sehr gut. Wir haben vermutlich noch nie innerhalb so kurzer Zeit so viele Finanzierungsrunden gesehen. Das hatte freilich auch mit dem Covid-Start-up-Hilfsfonds der Regierung zu tun. Jetzt sehen wir sogar wirklich große Finanzierungsrunden, im zweistelligen Millionenbereich von internationalen Kapitalgebern. In der Krise hat man halt gemerkt, dass Digitalisierung die Zukunft ist – und nicht wieder weggeht.
Der „Runway-Fonds“ – Investoren stellen Kapital bereit, der Staat übernimmt Garantien – als zweiter Teil des Hilfspakets für Start-ups wurde im April 2020 angekündigt. Zuletzt hieß es, dass Investments im „zweiten Quartal“ starten. Geht sich das aus?
Ursprünglich war der Fonds als schnelles Hilfsinstrument gedacht, um schnell privates Kapital zu aktivieren und für Start-ups zugänglich zu machen. Die Idee kostet den Staat aktuell nichts – was leider nicht alle verstehen. Die Garantien werden nur schlagend, falls der Fonds nicht performt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering, wenn man sich Venture-Capital-Fonds in Europa ansieht. Das ursprüngliche Ziel, Kriseninstrument zu sein, hat der Runway-Fonds schon verfehlt.
Also hat er sich erledigt?
Soweit ich vernommen hab, ist der Plan, dass der Fonds jedenfalls noch kommt. Aber dass es Investments im zweiten Quartal geben wird, halte ich für hundertprozentig unwahrscheinlich. Jedenfalls könnte so ein Fonds „Venture Capital“ in Österreich einen massiven Schub geben. Ein „Gamechanger“, den wir uns seit Jahren wünschen.
Ist es sinnvoll, in einer Zeit, wo sich die Wirtschaft erholt, einen Fonds mit breiten staatlichen Garantien auszustatten?
Definitiv. Die Garantien werden nur schlagend, wenn der Fonds nicht performt. Wenn also in Unternehmen investiert wird, die wirtschaftlich nicht erfolgreich sind. Wir als Gesellschaft und Wirtschaft sollten Vertrauen in unsere jungen und innovativen Unternehmen haben.
Wie weit ist man mit der speziell auf Start-ups zugeschnittenen neuen Gesellschaftsform?
Da wird intensiv verhandelt. Aus meiner Sicht ist man von einer Lösung, die international viel Strahlkraft haben könnte, nicht weit entfernt.
Was soll das Besondere sein?
Einerseits ist es eine Anpassung an internationale Standards, wenn es um schnelle und kosteneffiziente Prozesse geht, die mit einer Gründung zu tun haben. Andererseits wird das Thema Anteilsübertragung vereinfacht. Das betrifft Kapitalerhöhungen wie auch Mitarbeiterinnenbeteiligungen. Schaffen wir bei Letzterem ein gutes Modell, haben wir etwa einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Deutschland.
Sie wurden von der Wirtschaftsministerin als „Vollblut-Entrepreneurin“ vorgestellt. Was macht eine solche aus?
Eine Entrepreneurin, über das Vollblut kann man streiten, macht grenzenloser Optimismus aus. Und der Zugang, Probleme zu erkennen. Aber vor allem auch eine extrem hohe Lösungskompetenz. Und nicht in vielleicht klassisch österreichischer Manier auf dem Problem picken zu bleiben.
Bleiben wir optimistisch: Wo liegen denn die Stärken des Start-up-Standorts Österreich?
Wir haben unfassbar viel Talent, wahnsinnig viele smarte, zukunftsorientierte Menschen, die gerne Dinge machen und verändern würden. Wir müssen uns jetzt überlegen, wie man den Standort so attraktiv gestalten kann, dass die Leute dableiben. Weil es im Prinzip egal ist, ob du in Wien, London oder in der Südsteiermark sitzt: Dank der Digitalisierung kannst du überall an allem arbeiten.
Wo fallen denn heimische Start-ups besonders positiv auf?
Bei Life Science, Biotech, grundsätzlich im Thema Gesundheit, haben wir starke Unternehmen. Außerdem gibt es das Thema „Female Entrepreneurship“. Wir sind in Europa Spitzenreiter, wenn es um die Quote von „Female Entrepreneurs“ und die Supportleistungen geht. Wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir diese Felder stärken. Wir neigen in Österreich dazu, damit zufrieden zu sein, wenn eh alles ok ist. Wir haben aber Angst davor, exzellent zu sein.
Der Anteil von Start-up-Gründerinnen liegt im Land bei 18 Prozent, 35 Prozent der Start-ups haben zumindest eine Frau im Gründerteam. Ist das wirklich zufriedenstellend?
Natürlich nicht.
Wie kann man die Quoten erhöhen?
Da geht’s um zwei große Themen. Einerseits um Gleichberechtigung. Solange wir nicht in einer Gesellschaft ankommen, wo Geschlecht tatsächlich keine Rolle mehr spielt, kann man auch die Gründerinnenquote nicht auf 50 Prozent bringen. Das zweite Thema ist Finanzierung. Wenn man sich ansieht, wer Kapital bekommt – vor allem von großen Kapitalgebern, wo es um mehrere Millionen geht –, dann findet man heraus, dass 91 Prozent des Geldes an rein männliche Teams geht.
Hat das auch damit zu tun, dass die Szene der Risikokapitalgeber eine männlich dominierte ist?
Definitiv. Bei den „Venture Capitalists“ sind sieben Prozent der Partnerinnen in Europa weiblich. Investments haben am Ende des Tages mit Vertrauen zu tun. Und wem vertrau ich? Leuten, die ich verstehe, wo ich mich vielleicht auch wiederfinde. Dass sich der klassische Angel Investor – der 60 oder 70 ist und ein erfolgreicher Manager oder Gründer war – nicht mit einer 25-jährigen Frau identifizieren kann, ist nachvollziehbar.