Oft dient Verkürzung zum besseren Verständnis einer komplexen Lage. Am heimischen Arbeitsmarkt führt das Stilmittel indes häufig zu Verunsicherung. Aktuellstes Beispiel: Die vom ÖVP-Wirtschaftsbund erneut losgetretene Debatte um eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für langzeitarbeitslose Menschen. Gerne werden derlei Forderungen mit der Anzahl der beim AMS vorgemerkten "offenen Stellen", also den von den Betrieben eingemeldeten freien Jobs, kombiniert.
Oder, wie es der Wirtschaftsbund etwas offensiver formuliert: Es könne doch nicht sein, dass "in Zeiten einer Wirtschaftskrise mit Rekordarbeitslosigkeit Tausende offene Stellen unbesetzt sind".
Warum dieser logisch anmutende Schluss dennoch zu kurz greift? Nun, dazu lohnt es sich, die Branchen anzusehen, in denen das AMS offene Stellen listet. Einerseits gibt es nämlich (Stand Ende April 2021) Berufe und Sparten, in denen es besonders viele Arbeitslose, aber nur sehr wenige sofort verfügbare offene Stellen gibt.
Etwa in Sachen. . .
. . . Gastronomie (2921 sofort verfügbare offene Stellen, 35.530 Arbeitslose).
. . . Beherbergung (1355 sofort verfügbare offene Stellen, 26.664 Arbeitslose).
. . . Verkehr und Lagerei (2352 sofort verfügbare offene Stellen, 20.211 Arbeitslose).
Auf der anderen Seite gibt es Branchen, die besonders viel Bedarf anmelden – aber dafür auf im Verhältnis deutlich weniger Arbeitslose treffen.
Etwa in Sachen. . .
. . . Herstellung von Waren (9562 sofort verfügbare offene Stellen, 27.274 Arbeitslose).
. . . Bau (9593 sofort verfügbare offene Stellen, 20.896 Arbeitslose).
. . . Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (Leiharbeitsfirmen) (24.572 sofort verfügbare offene Stellen, 26.381 Arbeitslose).
Kommentar von Uwe Sommersguter
Anforderung und Qualifikation passen oft nicht
Sieht man sich die einzelnen Berufsbilder innerhalb der Branchen (Dachdecker, Bautischler, Zimmerer, Spengler, Ärzte, Schweißer, Elektroinstallateure uvw.) und speziell die geografische Verteilung von Jobs und Arbeitslosen näher an, verdichtet sich der Eindruck, dass die Qualifizierungen vieler arbeitslosen Menschen nicht unbedingt zu den Anforderungen der Betriebe passt. Der viel zitierte "Fachkräftemangel" manifestiert sich so in der AMS-Statistik.
Last but not least listet das AMS übrigens nicht alle offenen Stellen, die Betriebe in Österreich anbieten. "Rund 40 Prozent" der freien Jobs, so lautete die gängige Schätzung, würden vom Arbeitsmarktservice abgebildet. Jene Unternehmen, die ohnehin der Meinung sind, über das AMS niemanden zu finden, der ins hauseigene Anforderungsprofil passt, melden die Jobs gar nicht. Im hochqualifizierten IT-Segment sei das etwa häufig der Fall, heißt es aus dem AMS.