Die Küche kommt Anfang Juni, der Kühlschrank aber erst irgendwann im Juli. Die Lieferzeit für das Mitte März bestellte Bett hat sich gerade wieder um zwei Wochen verlängert. In der um Verständnis bittenden Mail des Möbelhändlers steht jetzt als "voraussichtliches Lieferdatum Mitte Juni". Lehnen zum Nachrüsten für den Schreibtischstuhl fürs Homeoffice gibt es erst wieder in zwei Monaten.
Die Beispiele für lange und sich verlängernde Lieferzeiten im Möbelhandel sind alleine im Kollegen- und Bekanntenkreis vielfältig. Und in den nächsten sechs bis zwölf Monaten wird sich an den wochenlangen Lieferzeiten und Verzögerungen nichts ändern, glaubt Christian Wimmer, Geschäftsführer der Service&More GmbH Garant Austria, einer Vereinigung von 300 kleineren österreichischen Möbelhändlern und Raumausstattern, 44 davon in der Steiermark, 21 in Kärnten. Er geht sogar davon aus, dass die "aktuelle Goldgräberstimmung" auch 2022 anhalten wird. Die Produktionsbetriebe seien "an der Grenze der Kapazität und darüber". Bedingt auch dadurch, dass die Firmen aus Sorge wegen der langen Lieferzeiten oft gleich die doppelte Menge der Ware ordern würden. Speziell Elektrogeräte wie Kühlschränke aber auch Schaltelemente oder kleinere Komponenten, die oft aus Fernost kommen, fehlen. "Ein Problem, das im Fachhandel durchschlägt", sagt Wimmer.
Europäische Schaumknappheit
"Auch große deutsche Marken sind abhängig von solchen Komponenten. Das ist die andere Seite der Globalisierung", sagt Bernhard Modl, Einkaufschef beim Kärntner Möbelhändler Rutar. Man könne aber nicht sagen, dass die Lieferzeiten generell lang wären. Es seien vielmehr bestimmte Hersteller und bestimmte Produkte, die betroffen seien. "Wir haben speziell bei Küchen viel auf Lager gelegt. Aber die Wünsche der Kunden sind sehr individuell, und man kann nicht alles vorab einkaufen", sagt Modl. Er erzählt auch von der Schaumknappheit, die in Europa entstanden ist, also dem Innenleben beispielsweise von Polstern und Stühlen. "Es gibt nur noch vier große Produzenten, und sie bestimmen den Preis", weiß Modl.
"Die Lieferzeiten alleine sind nicht das Problem, sondern auch die Teuerungszuschläge weil bestimmte Teile, sowie Produkte aus Holz oder Metall nicht lieferbar sind", sagt Wimmer. Der Möbelhändler XXXLutz beispielsweise nimmt auch erhöhte Transportkosten in Kauf, um die Lager wieder aufzufüllen, so Unternehmenssprecher Thomas Saliger. Punktuell fehle es aber nicht nur an Rohmaterialien, sondern auch an Containerkapazitäten, so Saliger. Und wenn Container vorhanden sind, so Rutar-Einkaufschef Modl, seien diese fünfmal so teuer, wie vor der Coronakrise. Vor allem die USA haben aufgrund der dort anziehenden Konjunktur viele Container "abgesaugt".
Online-Shop geschlossen
Ja selbst der Möbelriese Ikea stößt logistisch an die Grenzen. Seitens der Pressestelle erklärt Ikea, dass die interne Lieferkette auf eine planbare Kundenfrequenz abgestimmt sei. "Daher ist eine der größten Herausforderungen für uns die kurzfristige Entscheidung der Regierung bezüglich Lockdowns, geografisch und zeitlich." Der schwedische Konzern betont, dass man intensiv daran arbeite, die nachgefragten Produkte wieder auf Lager zu bekommen.
Um die Lieferverzögerungen überhaupt abarbeiten zu können, hat man beim Einrichtungshaus Jysk, ehemals Dänisches Bettenlager, eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen. Waren Online-Shops während der Lockdowns die Lebensader des Handels, hat Jysk seine digitale Filiale im April für zwei Wochen geschlossen. "Wir wollten nicht noch mehr Lieferverzögerungen anhäufen." Für Jysk sei das wirklich Neuland, da man bisher eigentlich eine gute Logistikkette hatte, betont das Unternehmen.
Weltweites Phänomen
Genaue Gründe für diese Schwierigkeiten kann keiner der Konzerne nennen. Doch Rupert Zach, Innungsmeister der steirischen Tischler, hat eine Vermutung. "In der Industrie setzt man auf viele Lieferanten. Und wenn dann ein Teil nicht geliefert wird, kann das Möbelstück nicht fertiggestellt werden." Bei den Handwerkern sei die Situation noch nicht so dramatisch, sagt Zach, der selbst ein Küchenstudio hat. "Früher bekam man Beschläge oder Küchengeräte relativ bald nach der Bestellung. Heute muss man das wirklich sehr frühzeitig bestellen." Das sei aber ein globales Phänomen. "Die Nachfrage ist weltweit sehr hoch. Deshalb produzieren die Lieferanten jetzt schon auf Anschlag." Mit guter Planung sei es für lokale Handwerker dennoch möglich, versprochene Liefertermine einzuhalten.