"Wenn ein Geschäft darauf basiert, die Nutzer hinters Licht zu führen, Daten abzuschöpfen und Wahlmöglichkeiten zu suggerieren, die keine sind, dann verdient es nicht unseren Applaus. Dann muss es reformiert werden."
Würden wir Sie nun fragen, wer Anfang Jänner anhand dieser Zeilen den "datenindustriellen Komplex" geißelte, würden Sie vielleicht eher an renommierte Datenschützer oder knallharte Wettbewerbshüter denken und nicht an Apple-Boss Tim Cook. Gesagt hat die bemerkenswerten Sätze aber just jener Mann, dessen Konzern seinen Nutzern für gewöhnlich selbst kaum Wahlmöglichkeiten lässt. "Einmal Apple, immer Apple" ist heute ein geflügeltes Wort. Nicht nur wegen technologischer Exzellenz, sondern auch, weil der Konzern den Abschied, also das Verlassen des hermetisch abgeriegelten Apple-Ökosystems, bewusst verkompliziert.
Gesagt hat die bemerkenswerten Sätze auch jener Tim Cook, der schon 2018 besonders datengetriebene Konzerne wie Facebook und Google provozierte, als er großspurig wissen ließ, er sei ein "großer Fan" der heiß umfehdeten Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Und vor allem sagte die Sätze jener Tim Cook, der mit dem Thema Datenschutz die kalifornische Konkurrenz diese Woche so richtig zur Weißglut trieb.
Nutzer entscheiden, ob sie dauerhaft getrackt werden
Denn das neueste Betriebssystem für iPhone oder iPad, iOS 14.5, wartet mit einer in Wahrheit spektakulären Funktion auf: der "App Tracking Transparency" (ATT). Lange erwartet und angekündigt, können Nutzer ab sofort tatsächlich selbst entscheiden, wie umfassend ihr Verhalten aufgezeichnet werden soll. Anbieter von iPhone-Apps müssen User ausdrücklich um Erlaubnis fragen, ob sie deren Verhalten quer über verschiedene Apps und Websites auswerten dürfen.
Neun von zehn Nutzern, so die Einschätzung der Analyse-Firma App Annie, werden das Tracking fortan ablehnen. Und damit all jene massiv unter Druck setzen, die auf personalisierte Werbung setzen oder diese verkaufen. Vor allem Facebook, das sich dementsprechend garstig zu Apples Vorstoß äußerte. "Apple hat jeden Anreiz, seine dominante Plattform auszunutzen, um zu beeinflussen, wie unsere und andere Apps funktionieren", ließ Facebook-Boss Mark Zuckerberg wissen.
"Das Update benachteiligt kleine App-Anbieter", ergänzt Markus Fallenböck, Professor für Technik- und Innovationsrecht an der Uni Graz, einen weiteren Punkt. Diese würden "möglicherweise den Zugang zu den Kundendaten verlieren". Apple selbst wiederum könne die Daten seiner "770 Millionen Nutzer weiterhin auswerten". Das sei auch der Grund, warum Werbeverbände in Deutschland nun gegen Apple wegen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung klagen.
Datenschutz seit Jahren als Anliegen
Für Apple selbst ist es indes nur der nächste logische Schritt. Tatsächlich baut der IT-Krösus aus Cupertino mittlerweile auf einer gewissen Historie auf, wenn es um Datenschutz als Verkaufsargument geht. 2016 etwa verweigerte man dem FBI medienwirksam die Hilfe, als der US-Geheimdienst Apples Unterstützung beim Entsperren des iPhones eines Attentäters einforderte. In Wahrheit wollte man, dass Apple eine "Hintertür zum iPhone" baut, befand Cook und sprach von einem "beispiellosen Schritt, der die Sicherheit unserer Kunden gefährdet".
Von "zwei unterschiedlichen Philosophien" erzählte der Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger im Gespräch mit der Kleinen Zeitung wiederum schon 2014 fast prophetisch. "Bei Apple steht der Endkunde im Zentrum. Er muss sich wohlfühlen, es geht um Vertrauen", sagte der Wissenschaftler. Apple verdiene Geld in erster Linie mit dem Verkauf von teuren Geräten oder Leistungen, während etwa Konzerne wie Google viele Gratisdienste anbieten, sich aber "dafür vorbehalten, Daten teilweise weiterzuverwenden". Was die Rolle Apples als Hüter des Datenschutzes ein wenig einfacher macht.