Viele Jahre war die Start-up-Szene in Österreich ein sehr zartes Pflänzchen. Dieses dürfte jedoch von der Pandemie nicht planiert worden sein. Viele der inzwischen 2650 Unternehmen mit etwa 20.000 Beschäftigten könnten sogar als Gewinner aus der Krise hervorgegangen sein, schätzt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), die am Dienstag gemeinsam mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den Start-up-Monitor des AIT präsentierte. Dieser weist die Szene mit einigen Ausnahmen sogar als stark wachsend aus, obwohl 53,1 Prozent der Unternehmen von der Covidkrise betroffen sind.
"10.000 neue Jobs"
"10.000 neue Jobs in der Start-up-Szene 2021, das ist nicht irgendetwas, sondern das ist ein wesentlicher Beitrag, bringt ganz viele Möglichkeiten und zeigt, dass die Start-ups ein ganz wesentlicher Beitrag zum Comebackplan-Österreichs sind", so Schramböck. Die Gründungsaktivitäten seien nicht zurückgegangen. Die Community trage auch zur positiven Stimmung im Land bei. Sie verwies zudem auf 15 Millionen Euro E-Commerce-Förderung, "die noch nicht genutzt sind". Gerade die Start-ups könnten anderen Branchen wie dem Handel helfen, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren.
Mehr als die Hälfte der Unternehmen haben konkrete Wachstumspläne. Viele Unternehmen werden in den Finanzierungsrunden auch stark bewertet. Vor allem Unternehmen, die in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung und Life Science tätig sind. 58 Prozent der Unternehmen mit externer Finanzierung wurden mit einer Werthaltigkeit von mehr als 2,5 Millionen Euro klassifiziert. Gegenüber 2019 ist das ein Plus von elf Prozent. Im Schnitt beschäftigt ein Unternehmen 9,6 Mitarbeiter. Die große Mehrheit – knapp 30 Prozent – ist aber noch in der Startphase mit ein bis zwei Gründern. Die internationale Ausrichtung ist der AIT-Studie zufolge allerdings hoch und liegt bei 90 Prozent. So gibt es Start-ups, die den geplanten "Grünen Pass" oder Lösungen für schnelle und flexible Herstellung von Medikamenten entwickeln.
"Was die Start-up-Unternehmen wirklich ausmacht, ist ihr Anpacker-Spirit", so Markus Raunig von Austrian Start-ups. Jedes vierte Start-up habe sich in der Verantwortung gesehen und proaktive Lösungen zur Bewältigung der Coronakrise entwickelt. "Das reicht von Impftechnologie, Contact Tracing über Remote-work-Lösungen, Lebensmittellieferungen bis hin zur Online-Nachhilfe oder psychologischen Beratung im Netz", zählt Raunig auf. Es deute einiges darauf hin, dass die Unternehmen auch im Aufschwung eine bedeutende Rolle spielen.
58 Prozent beanspruchten verschiedene Coronahilfen
Ein Viertel der Szene nutzte die Krise, um auch zu Krisenlösungen beizutragen. Mehr Umsatz verzeichneten der Studie zufolge 24 Prozent der Firmen, 18 Prozent profitierten sogar von der Krise. Die Mehrheit von 58 Prozent nahm allerdings verschiedene Coronahilfen in Anspruch, bei 53,1 Prozent schrumpfte der Umsatz. Mehr als ein Drittel der Start-ups, genau 36,5 Prozent, berichtete von negativen (21 Prozent) oder sogar stark negativen (15,5 Prozent) Pandemie-Folgen, so Rudolf Dömötör von der WU Wien. "29 Prozent nutzen die Kurzarbeit." 16,2 Prozent der Unternehmen bauten Mitarbeiter ab, 10 bis 15 Prozent könnten die Krise möglicherweise nicht überleben. Der allgemeine Trend sieht aber anders aus: 30,4 Prozent haben den Mitarbeiterstand sogar ausgebaut.
Erneuerbare Energien und Umweltschutz
Wie erfolgreich die Green-Start-up-Szene sei, zeige der Monitor ebenfalls deutlich, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). "63 Prozent aller Start-ups sind als Green Start-ups eingestuft", so die Ministerin. "Das ist beeindruckend, bei einem Viertel ist das ökologische Ziel sogar das vorrangige Ziel ihrer Geschäftsidee, ihres Geschäftsmodells." Als Beispiele nennt sie etwa OurPower, eine der neuen Energiegemeinschaften, über die sich Eigenerzeuger von Strom und Nutzer zusammenschließen und auch investieren können. Laut dem Start-up-Monitor, der auch vom Gründungszentrum der Wirtschaftsuniversität Wien und dem Start-up-Zentrum Austrian Start-ups mitgetragen wird, sind 27,1 Prozent grüne Start-ups, 35,9 Prozent werden als grün im weiteren Sinne eingestuft. Die wichtigsten Themen dabei sind nachhaltige Produkte und nachhaltiger Konsum, erneuerbare Energien und Umweltschutz, nachhaltige Mobilität sowie Entwicklungen für nachhaltigere Städte und Gemeinden. 8,4 Prozent der Unternehmen gelten als Social Business.
Ein spannendes Detail: Fast die Hälfte aller Start-ups ist in Wien beheimatet, wo es einige "Inkubatoren" rund um große Unternehmen, aber auch die entscheidenden Förderstellen wie etwa das Austria Wirtschaftsservice (AWS) gibt. 12,4 Prozent der Start-ups sind in der Steiermark und 4,6 Prozent in Kärnten angesiedelt.
Politische Bewegung zeichnet sich offenbar auch beim wichtigen Thema Finanzierung ab, lässt Schramböck durchklingen. Bisher hätten die Corona-Maßnahmen Priorität gehabt, aber jetzt gehe es an die Umsetzung des Regierungsprogramms, das eine Weiterentwicklung des Kapitalmarkts vorsieht. Konkret soll künftig Eigenkapital im Unternehmen nicht mehr wie bisher gegenüber Fremdkapitalfinanzierung benachteiligt werden. So soll es etwa Gewinnfreibeträge geben. Mehr Details dazu könnte bereits in den nächsten Tagen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) liefern. Auch die Möglichkeiten der Mitarbeiter-Beteiligungen dürften ausgebaut werden.
"Mein Ziel ist es nicht, dass die Unternehmen nach der Seed-Phase ins Ausland gehen müssen, um weiterzuwachsen", so Schramböck. Beim Runway-Fonds, der im November als Startrampe für Start-ups präsentiert wurde, dürften Schramböck zufolge aber noch Adaptierungen nötig sein. Dort müsse man "möglicherweise aktuelles Feedback einbauen". Gedacht war er für 30 bis 40 besonders technologieorientierte und innovative Start-ups mit hohem Wachstumspotenzial, die stark von der Krise betroffen sind. Allerdings wurde inzwischen viermal das Management ausgeschrieben.
Claudia Haase