Rund 51.000 Steirer sind derzeit arbeitslos gemeldet oder befinden sich in einer Schulung des AMS. Dazu kommen rund 60.000 Menschen in Kurzarbeit. Angesichts dieser Zahlen erscheint es durchaus paradox, dass es in zahlreichen Bereichen der Wirtschaft einen veritablen Mangel an Fachkräften gibt. Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk fürchtet gar, dass die fehlenden Profis den für den erhofften Aufschwung zum Flaschenhals werden könnten, wenn nämlich Aufträge nicht angenommen werden können, weil die Arbeiter fehlen.

Die Ursache hat aber mit der Coronakrise wenig zu tun. Viel mehr sei es der demografische Wandel, welcher der steirischen Wirtschaft zunehmend zusetzt. "Die Zahl der Über-50-Jährigen hat sich seit 2015 verdoppelt", erklärt Herk und ergänzt: "Ich bin einer davon." Zeitgleich ist der Anteil der Unter-25-Jährigen um rund ein Viertel auf knapp 60.000 gesunken. "Wir werden in den kommenden Jahren vor der enormen Herausforderung stehen, Fachkräfte im großen Stil nachzubesetzen", warnt Herk und spricht von einem "Pensionierungs-Tsunami."

Mangelberufe

Um jeden einem Überblick über die Lage am Arbeitsmarkt zu geben, hat die Wirtschaftskammer den Fachkräfteradar auf ihrer Webseite veröffentlicht. Dort werden die Daten des AMS nach Berufsgruppen aufgeschlüsselt ausgewertet. Gegenübergesetzt wird die Zahl der offenen Stellen mit den aktuell Arbeitssuchenden in diesen Berufsgruppen. Gibt es pro offener Stelle weniger als 1,5 Bewerber spricht die Kammer von einem Fachkräftemangel.

Doch selbst von diesem Wert ist man in manchen Berufen sehr weit entfernt. Auch regional gibt es deutliche Unterschiede. Generell sind vor allem Berufe aus den Bereichen Technik, Handwerk, IT und Medizin/Pflege gefragt. So gibt es in der Steiermark derzeit 45 offene Stellen für Ingenieure (HTL) im Bereich Starkstromtechnik und im Schnitt nur 0,32 Bewerber. Ähnlich die Situation bei Dachdeckern. Hier kommen 0,39 Bewerber auf 42 Stellen. 192 Job-Angebote gibt es für Installateure aber nur 0,58 Bewerber.

Regional sieht die Lage in manchen Berufen noch dramatischer aus. So gibt es in Deutschlandsberg 8,6 offene Stellen für Diplomingenieure im Maschinenbau aber keinen einzigen Bewerber. Ganz gleich die Lage bei Dachdeckern in Gleisdorf. Keine Bewerber aber 4,4 offene Stellen. In Liezen werden derzeit zwölf Ärzte gesucht und es gibt nur einen möglichen Bewerber. Selbst im staatlichen Bereich gibt es teilweise zu wenig Kandidaten. In Feldbach gibt es 25,3 offene Stellen für öffentliche Sicherheitsorgane aber nur 5,4 Arbeitslose in dem Bereich.

Mehr Mobilität

Während die Lage in der Steiermark in vielen Branchen also durchaus angespannt ist, gibt es in der Bundeshauptstadt Wien in fast allen Branchen genug mögliche Bewerber. Deshalb fordert Herk auch die Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb von Österreich zu erhöhen. Eine Möglichkeit wäre eine Änderung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose. Wichtiger wäre es allerdings den möglichen Kandidaten den Umzug in die Steiermark schmackhaft zu machen. "Auch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss gelöst werden", sagt Herk und spricht damit das Thema Kinderbetreuung an. Wobei Herk hier natürlich von der Zeit nach der Pandemie spricht, wie er betont.

Ein weiterer Hebel, um zu mehr Facharbeitern zu kommen ist die Ausbildung. Hier liegen die Hoffnung auf der Corona-Stiftung. "Hier müssen wir die Leute wirklich in die Bereiche bringen, die wir in den kommenden Jahren brauchen werden." Vor allem mit der sogenannten Qualifizierung am Arbeitsplatz, einer zweijährigen Ausbildung mit Lehrabschluss, habe man sehr gute Erfahrungen gemacht.

Eines gibt Herk abschließend auch zu bedenken: "Auch mit diesen Maßnahmen, werden wir um eine qualifizierte Zuwanderung nicht herumkommen."