Scharfe Kritik am "lockeren Umgang mit Geld in der Wirtschaftskammer" kommt von Sabine Jungwirth, Bundesvorsitzende der Grünen Wirtschaft. Sie nimmt Anstoß am - eigentlich geheimen - Bericht des Kontrollamts zum WKÖ-Gebaren 2019. "Kein Unternehmen kann so wirtschaften, warum eine Interessenvertretung?", fragt Jungwirth. "Gerade, wenn man weiß, wie letztes Jahr WK-Mitglieder, die jeden Cent umdrehen müssen, mit den Grundumlagen geknebelt wurden, während in der Kammer geklotzt wird." Jungwirth stört auch die "Überheblichkeit, mit der (WKÖ-Generalsekretär Karlheinz, Anm.) Kopf und (WKÖ-Präsident Harald, Anm.) Mahrer Kritik vom Tisch wischen, als wäre das Bezahlen von Golfklubmitgliedschaften das Normalste der Welt."
30 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit
Die Chefin der Grünen Wirtschaft kritisiert auch, dass die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit von 15,8 Millionen Euro im Jahr 2017 (dem letzten Jahr von Präsident Christoph Leitl) auf 30,8 Millionen Euro 2020 gestiegen seien.
140 Seiten mit viel Kritik
Auf 140 Seiten listet das Kontrollamt im Bericht über die Gebarung der Wirtschaftskammer und der Fachverbände 2019 eine Reihe von Kritikpunkten auf. Bekannt wurden die 40.508 Euro an Kosten für Mitgliedschaften etwa bei Golf-, Yacht- und Sportvereinen sowie Rotary. Laut Kontrollamt sollen Klubmitgliedschaften auf lokale Unternehmerverbände oder Vereinigungen begrenzt werden.
Bemerkenswertes fördert auch ein Blick auf die Erziehungskostenbeiträge für Mitarbeiter zutage. Von 5,3 Millionen für die Ausbildung von Kindern von 53 Mitarbeitern von 2010 bis 2019 entfielen 1,34 Millionen auf „Top 3“ Mitarbeiter und mehr als die Hälfte, 3,03 Millionen Euro, auf die Top 10-Mitarbeiter. Aber auch für die Kinder von zwölf Wirtschaftsdelegierten im Inland wurden Schulkosten bezahlt, von 2010 bis 2019 1,13 Millionen Euro, davon entfiel die Hälfte auf nur drei Mitarbeiter. Die Prüfer empfehlen, einen strengen Maßstab bei der Übernahme von Ausbildungskosten anzulegen.
Als "unfair" bezeichnet die Kritik der steirische Wirtschaftskammer-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg, der selbst international tätig war: "Wird jemand Delegierter, stellt sich sofort die Frage: Wo werden meine Kinder in die Schule gehen?" Und im Ausland seien gute Schulen nun einmal nicht gratis, zumal diese zumindest englischsprachig sein müssen. "Es hat keinen Sinn, sein Kind in eine Schule mit Chinesisch als Unterrichtssprache zu geben."
10,48 Millionen für Gebäudekosten
Per 31. 12. 2019 befanden sich 34 Liegenschaften in 27 Ländern im Eigentum der WKÖ. Weitere 178 Objekte (davon 84 Büros) werden angemietet. Die Gebäudekosten verminderten sich gegenüber dem Jahr davor um 110.000 Euro auf 10,48 Millionen Euro im Jahr 2019. Dabei wurden immer wieder größere Büroflächen angemietet, obwohl der Flächenbedarf ein geringerer gewesen wäre. Kammerintern gilt für die Außenwirtschafts-Büros ein Richtwert von 20 Quadratmeter pro Person.
Die größten Überschreitungen des Raumbedarfs gab es in Taipei, Zagreb und Moskau mit rund 150 Quadratmetern. Allein in Moskau kostet ein Quadratmeter Büroflächen-Miete rund 40 Euro. Das Kontrollamt der Kammer sieht durch ein Anpassen der gemieteten Flächen an den Raumbedarf ein Einsparungspotenzial von knapp 800.000 Euro jährlich. Außerdem empfiehlt das Kontrollamt die Außenwirtschafts-Büros, die sich meistens in besten Lagen befänden, in dezentralere Lagen zu verlegen.
Hunderttausende Euro verloren
Noch Anfang 2019 wechselte der Fachverband der Stein- und keramischen Industrie zur Commerzialbank Mattersburg. Im August wurden die dortigen Malversationen bekannt. Der Versuch, die 365.000 Euro abzuheben, gelang nicht mehr, aber nicht nur das: bis 16. Juli trudelten noch Mitgliedsbeiträge ein und der Kontostand lag schlussendlich bei rund 408.000 Euro. Die Einlagensicherung ersetzte lediglich 100.000 Euro.
Neue Ausschreibungen
Gleich mehrere Fachgruppen in der Kammer sehen sich mit derselben Kritik konfrontiert: Verträge für Werbe- oder Eventagenturen sowie die Zusammenarbeit mit Beratern werden nicht ordentlich vergeben. Konkret wird moniert, dass nicht regelmäßig Konkurrenzangebote eingeholt werden, wie es eigentlich die Vergaberichtlinie der Wirtschaftskammer vorsehen würde.
Argumentiert wird seitens der Betroffenen stets mit der "guten jahrelangen Zusammenarbeit". Ein Argument, das zwar durchaus verständlich sei, sagt Dernoscheg. Dennoch müsse man versuchen, immer wieder neue Angebote einzuholen. "Das ist eigentlich nur fair gegenüber unseren Mitgliedern." Dernoscheg betont auch, dass die steirische Wirtschaftskammer rechtlich getrennt ist und der Prüfbericht der Wirtschaftskammer Steiermark durchwegs positiv ist.
Jürgen Mandl "kein Kommentar"
Keinen Kommentar zum kritischen Prüfbericht will Kärntens Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Mandl abgeben, weil es sich bei der WKÖ um eine „eigene Rechtskörperschaft“ handle, so ein Sprecher Mandls.
Auch WKÖ-Präsident Harald Mahrer wollte auf Anfrage der Kleinen Zeitung keine Stellungnahme abgeben; dem Ö1-Radio sagte Mahrer, es handle sich nicht um den Endbericht, wenn dieser vorliege, würde er "minutiös" abgearbeitet.
"Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft"
Kritik an der Kammer kommt indes von Unternehmern, die wenigsten wollen diese öffentlich äußern. Einer, der sich dazu bekennt, ist Armin Strussnig, Geschäftsführer von Rekord Fenster in Villach. Er ist "für die Abschaffung aller Zwangsmitgliedschaften in den Kammern." Denn Vorkommnisse wie in der WKÖ passierten "immer dort, wo es keinen Wettbewerbsdruck gibt, wenn das Geld auch ohne das Zutun der beteiligten Personen reinkommt." Interessenvertretungen seien in Ordnung, "der Zwang, dort teilzunehmen, nicht", so Strussnig.
"Aufgeblähter Kammerapparat"
Grüne-Wirtschaft-Chefin Jungwirth erneuert im Gespräch mit der Kleinen Zeitung ihre Forderung nach "schlankeren Strukturen" und einem "Überdenken der WK-Finanzierung". Die Abschaffung der Kammerumlage 2 hält sie für "überfällig". Die Grünen kritisierten "die Intransparenz und den aufgeblähten Kammerapparat seit Jahren" und stimmten als einzige Fraktion gegen den Rechnungsabschluss.