Der erste Eindruck entscheidet. Nicht nur für ein Bewerbungsgespräch gilt diese Prämisse. Auch wenn man einen Schritt weiter ist – wenn man eine Zusage bekommen hat und der erste Arbeitstag bevorsteht. Was wird einen erwarten? Was wird von einem erwartet? Gefällt einem das Umfeld? Gefällt man dem Umfeld?
Große Fragen, die in teilweise kleinen Gesten entschieden werden. Gerade deshalb kann man in der Startphase eines Jobs vieles falsch machen – als Arbeitgeber wie auch als Arbeitnehmer.
Diese Fehler wirken oft lange nach, manche werden nie ganz ausgeräumt. Sie belasten das Arbeitsklima von Beginn an und nachhaltig. Das muss nicht so sein. Was es braucht, ist ein klar strukturierter Prozess, der Orientierung gibt, und Empathie-Fähigkeit bei allen Beteiligten, damit eine angenehme Atmosphäre den Eingang zum neuen Arbeitsplatz austapeziert. Um diesem Prozess einen zeitgeistadäquaten Namen zu geben, haben Personalentwickler in die Vokabelkiste der im Umgang mit einem Begrüßungszeremoniell routinierten Luft- und Kreuzfahrtbranche gegriffen. Herausgekommen ist „Onboarding“.
Ungeschriebene Gesetze
Es ist die sanftere Version des kantig-militärischen „Eincheckens“, das eher nach organisatorischen Notwendigkeiten klingt. Das An-Bord-Gehen impliziert aber mehr. Und es beginnt auch schon vor dem ersten Arbeitstag. Für den Arbeitgeber beispielsweise beim rechtzeitigen Einrichten des Arbeitsplatzes und der Vorinformation der bereits bestehenden Belegschaft. Wird das nicht gemacht, ist das Signal an den neuen Mitarbeiter verheerend, weil es von wenig Wertschätzung zeugt und beim Betroffenen Zweifel am Bedarf der eigenen Arbeitskraft nährt. Es wird, warnen Experten, übersehen, dass es zwar für ein Unternehmen ein normaler Arbeitstag ist, für den neuen Kollegen aber einer mit besonderer Bedeutung. Zwischen diesen Polen bleibt viel Platz für positive wie negative Überraschungen.
Die emotionale Ausnahmesituation betrifft auch das zwischenmenschliche Umfeld. Wie herzlich wird man in Empfang genommen? Findet sich die in der Stellenausschreibung angepriesene angenehme Unternehmenskultur im Büroalltag wieder? Zum Vordergründigen kommt nach einer gewissen Zeit das Hintergründige: Welche Beziehungsgeflechte und Seilschaften gibt es? Wer sind meine Verbündeten? Wie kommt man an inoffizielle Informationen, die nicht im Onboarding-Führer stehen, welche ungeschriebenen Gesetze gelten, die nicht im Unternehmensleitbild stehen? Es ist eine Suche nach der eigenen Rolle im neuen Firmensoziotop, geprägt von vielen Eindrücken und Erwartungen. Sie müssen mit der eigentlichen Position und Arbeit in Einklang gebracht werden. Gerade Berufsanfänger werden dabei aufgrund fehlender Vergleichsmöglichkeiten und zu optimistischer Erwartungen häufig Opfer von Frust und Enttäuschung.
Um das zu verhindern, raten Karriereplaner zu einer Strukturierung des Onboarding-Prozesses. Zu Beginn sollte es vorrangig um pragmatische Dinge wie eine funktionierende Infrastruktur gehen – für die ein Unternehmen klare Standards definiert.
In der darauffolgenden Integrations- und Lernphase hat sich vielfach ein „Buddy“-System bewährt: Ein erfahrener Mitarbeiter wird dem Neuling als Ansprechpartner zur Seite gestellt, um auftauchende Fragen schnell und unbürokratisch beantworten zu können, beziehungsweise auch, um die Integration ins bestehende Team zu erleichtern. Nach drei Monaten – meist auch das Limit einer Probezeit – sollte der neue Mitarbeiter die Stabilitäts- und Akzeptanzphase erreicht haben, im Team und im neuen Job „angekommen“ sein.
Als Orientierungshilfe bei diesem Prozess können Leitfäden im Intranet oder eigene Apps dienen. Diese digitalen Hilfen bieten beispielsweise interaktive Inhalte und Videos, wo bereits vor dem ersten Arbeitstag Informationen über Arbeitsabläufe und -prozesse abgerufen werden können oder spielerische Module Lust auf den neuen Job machen sollen. Ziel: Der Mitarbeiter soll vom Ich- zum Wir-Denken geleitet werden.
Klaus Höfler