Am Montag starten im MAN-Werk in Steyr die Verhandlungen über den Sozialplan für den zur Disposition stehenden Standort. Betriebsrat Helmut Emler erwartet sich "zielführende" Gespräche und keine reine Präsentation des Plans seitens des Unternehmens, stellte er klar. So will er über "einen Sozialplan mit doppelter Freiwilligkeit", wie er bei MAN in Deutschland gelte, reden.
Damit meint der Belegschaftsvertreter, dass zum einen Arbeitnehmer nur von sich aus das Werk verlassen sollen. Zum anderen dürfe mit dem Sozialplan nicht die Schließung des Werks verbunden sein. Zu einem somit erreichten Personalabbau solle der Konzern eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen. Im "Worst Case" würde eine Schließung den Konzern zwischen 1,1 und 1,4 Milliarden Euro kosten, verwies Emler auf eine Expertise des Linzer Zivilrechtsexperten und Rektors der Johannes-Kepler-Universität (JKU), Meinhard Lukas. Für Steyr gebe es nicht nur einen Standortsicherungsvertrag, sondern auch den Kündigungsverzicht des Unternehmens. Im Falle einer Schließung würden Kündigungsentschädigungen bis zum Jahr 2030 fällig werden, meint Lukas. Die von MAN genannten Einsparungen von 80 Millionen Euro durch eine Produktionsverlagerung von Steyr nach Polen würden sich laut Betriebsrat dann erst in 15 Jahren rechnen, meint Emler.
"Prüfen Rückforderungen sehr genau"
Ein finanzielles Nachspiel könnte eine Schließung auch in Bezug auf geleistete Förderungen für MAN haben. Die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG hat seit 2017 insgesamt 2,4 Millionen Euro öffentlicher Gelder in Projekte mit MAN investiert. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, Subventionen von Unternehmen zurückzuverlangen. Laut Klausel ihrer Förderverträge können Forschungsgelder wegen betriebsbedingter Schließungen bis drei Jahre nach Abschluss eines Projektes zurückgefordert werden, sagte FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner im Ö1-Mittagsjournal am Freitag. Konkret geht es um rund 300.000 Euro FFG-Gelder für die Erforschung neuartiger Wasserstoffantriebe für Lkw von MAN. Dieses Projekt stehe kurz vor dem Abschluss. Sollte das Werk in Steyr tatsächlich 2023 geschlossen werden, prüfe man "Rückforderungen sehr genau", kündigte Pseiner an. Den Löwenanteil der Investition seit 2017 dürfte die FFG hingegen nicht vom Nutzfahrzeugehersteller zurückholen können. Das Großprojekt zu batteriebetriebenen Lkw endete bereits 2019 und liegt damit wohl außerhalb der Drei-Jahres-Frist.
"Bieten uns als Problemlöser an"
Im Vorfeld der Verhandlung am Montag hatten sich am Freitag noch die MAN-Belegschaftsvertretung, der Steyrer Bürgermeister Gerald Hackl und sein Vize Markus Vogl (beide SPÖ) mit Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (alle zwei ÖVP) getroffen. Darin wurde nochmals betont, dass es "jetzt an der Zeit ist, dass auch mögliche weitere Interessenten klare Konzepte auf den Tisch legen", hieß es einer Aussendung des Landes. Laut Emler "rufen Unzählige täglich an, die das Werk kaufen wollen".
"Wenn alle wollen", hält es Gerald Ganzger für "sehr realistisch", dass es für das MAN-Werk in Steyr eine Zukunft gibt. Mit "alle" meint der Sprecher des Green-Mobility-Konsortiums rund um den Linzer Unternehmer Karl Egger (KeKelit) dessen Investorengruppe, die Konzernzentrale des Nutzfahrzeugeherstellers in München sowie Ex-Magna-Chef Siegfried Wolf. Als Diskussionsmodell sieht Ganzger eine Dreiteilung des Standorts Steyr. MAN könnte die Lackiererei weiter betreiben, Wolf dort, wie in seinem Übernahmeplan vorgesehen, Lkw produzieren und die Egger-Gruppe das Green Moblity Center errichten. "Groß genug ist das Werksgelände", meinte der Sprecher. Man biete sich quasi als "Problemlöser" an und warte auf eine Einladung von MAN zu Gesprächen. Eine derartige Bündlung der Interessen sei eine Denkvariante. Besteht der Wunsch zur Erörterung, werde das Konsortium einen namhaften Sprecher ‒ ohne dass Ganzger dessen Namen nennt ‒ zu einem runden Tisch schicken. Werde es am MAN-Standort Steyr nichts mit dem Green Mobility Center, suche sich das Konsortium einen neuen Ort, meint er. Konkreteres war nicht zu erfahren.