Einnmal im Jahr durchleuchtet die Österreich-Tochter des internationalen Beratungskonzerns Deloitte Österreichs Qualitäten als Wirtschaftsstandort. Dieser Deloitte-Radar ist natürlich nach einem Jahr Corona-Pandemie, die das Wirschaftsleben in vielen Bereichen auf den Kopf gestellt hat, besonders aufschlussreich. Deloitte fragt für den Radar einerseits 250 Top-Führungskräfte und wertet zusätzlich verschiedene internationale Rankings aus.
Das grobe Fazit: "Österreich ist erfolgreich, schlägt sich aber unter seinen Möglichkeiten", sagt Harald Breit, designierter Chef von Deloitte Österreich. Alarmierend erscheint allerdings die im Vergleich zum Vorjahr extrem abgesackte Einschätzung, wie gut Österreich den Aufschwung nach der Krise nutzen kann. Im Sommer 2020 hatte noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit geglaubt, dass der Neustart gut oder sogar sehr gut gelingen werde. Das erwarten jetzt nur noch 27 Prozent.
Mit Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden und Schweden gebe es eine Reihe von kleineren Ländern, die als Industriestandorte in den Rankings weit besser abschnitten als Österreich, so Breit. Großen Handlungsbedarf ortet man bei Deloitte vor allem in der Digitalisierung insbesondere der Verwaltung, dem Bildungs- und Gesundheitswesen bis hin zur besseren Versorgung mit Breitband-Internet. "Bekannte strukturelle Schwächen sind nun unmittelbar erlebbar geworden," sagt Breit. Dazu gehöre auch zu viel Bürokratie und überbordender Föderalismus.
Spitzensteuersatz soll fallen
Gute Noten heimst Österreich bei der Lebensqualität und als Forschungs- und Entwicklungsstandort ein. Die Investionsprämie wird von immerhin der Hälfte der befragten Manager als gut oder sehr gut eingestuft. "Hier läge nahe, die Prämie zu erhöhen," schlägt Deloitte-Partner Herbert Kovar vor. Die industrielle Umsetzung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit könnte durch Steuerbegünstigungen noch verstärkt werden. Um wieder schneller Boden im internationalen Standortwettbewerb gut zu machen, sollte zudem der Spitzensteuersatz von 55 Prozent fallen. Der bringe dem Staat finanziell kaum etwas, habe aber abschreckende Wirkung auf Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen.
Die Senkung der sehr hohen Lohnnebenkosten wird ebenfalls unter den wichtigsten Punkten aufgelistet, wie Österreich Wettbewerbsfähigkeit gewinnen könne. Das Thema ist bekanntlich ein Dauerbrenner. Geplant ist eine Steuern- und Abgabenreform ja längst. Allerdings hat die Pandemie möglicherwiese auch hier ihren Tribut gefordert.
Fachkräftemangel als größte Gefahr
Eine Gefahr für den Standort sei der Fachkräftemangel. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen, 44 Prozent, vergaben hier die schlechtesten Noten. Die Verfügbarkeit von Fachkräften sei nur "genügend" oder "nicht genügend". Im Spannungsfeld zwischen hoher Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel plädiert Deloitte-Partnerin Elisa Aichinger im Zuge von Qualifizierungsoffensiven für überbetriebliche Initiativen und arbeitsplatznahe Fortbildung.
Wie zufrieden sind die Manager laut Deloitte-Analyse mit dem Corona-Management der Regierung? Grundsätzlich gut, nur vier Prozent gaben "nicht genügend" an, während immerhin 59 Prozent die Maßnahmen mit "gut" und "sehr gut" bewerteten. Wie die Hilfen dann abgewickelt wurden, wird allerdings weit kritischer gesehen. Breit kritisiert in dem Zusammenhang ist auch die Homeoffice-Regelung. Konkretes Lob gab es dagegen für Finanz-Online. Das digitale Finanzportal der Finanzverwaltung ist Kovar zufolge die positive Ausnahme in Österreichs reformbedürftigem Staatsapparat.
Claudia Haase