Sebastian Kummer, Professor für Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien, erwartet im Verkehrsbereich eine Verfehlung der bisherigen Klimaziele. Bis 2040 die Dekarbonisierung zu schaffen, wie sich das die Regierung vorgenommen hat, sei unrealistisch. 2040 sei fast 50 Prozent mehr Transportvolumen auf der Straße zu erwarten, so Kummer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Zentralverband Spedition & Logistik.
Die hatte den WU-Experten kürzlich mit einer Studie zur CO2-Vermeidung im Straßengüterverkehr beauftragt. Schiene statt Straße funktioniere nicht so einfach, weil die Bahn ein Kapazitätsproblem habe, sagt Kummer weiter. "Vielleicht kann man ein bis zwei Prozent mehr Güter pro Jahr auf die Schiene bringen," so Kummer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Wenn sie 2,2 Prozent mehr Gütertransport pro Jahr schaffe, dann werde das zusätzliche Gütervolumen trotzdem nicht aufgefangen. Dem widersprechen Bahnexperten allerdings vehement.
Größere und aerodynamischere Lkw gefordert
"Realistische Zwischenlösungen" fordert Kummer nun von der Regierung ein. Dazu könnten größere und aerodynamischere Lkw gehören. Generell gehe es um einen Maßnahmen-Mix. Bereits jetzt verfügbare Effizienzsteigerungen müssten sofort genutzt werden. Der Ruf nach großen Lkw, auf die etwa mehr Autos oder Paletten passen, ist übrigens nicht neu, weil solche Mega-Brummis in vielen anderen Ländern seit Jahren unterwegs sind. Neu ist dagegen der Ruf, aus den drei Milliarden Euro, die in Brüssel für Österreich zur Bewältigung der Corona-Folgen bereitliegen, Geld für Förderungen der Logistik-Branche locker zu machen, insbesondere für Umstiege auf neue Antriebstechnologien.
Wolfram Senger-Weiss, Chef des gleichnamigen Speditionskonzerns und Vizepräsident des Zentralverbands, moniert konkret das Fehlen finanzieller Anreize für den Kauf von Lkw, die mit LNG-Flüssiggas betrieben werden. Als Übergangstechnologie müsse LNG in eine Wasserstoff-Strategie eingebettet werden, denn bei diesen Fahrzeugen sei eine gewisse Beimengung von Wasserstoff oder Biogas möglich.
"Können Wasserstoff-Vision der Nachbarn kopieren"
Er verweist zudem auf das deutsche Progamm zur Wasserstoff-Förderung, das mit inzwischen 350 Millionen Euro dotiert ist. "Wir können die Wasserstoff-Vision der Nachbarn auch einfach kopieren," so Senger-Weiss in Richtung der Regierung, die eine solche Strategie ebenfalls schon lange angekündigt, aber bis jetzt noch nicht vorgestellt hat. Grundsätzlich sei ein übergeordneter Gütermobilitätsplan notwendig.
Bahnexperten von den ÖBB und Siemens Mobility weisen indes vehement zurück, dass die Bahn praktisch keine Kapazitäten mehr habe, um mehr Güter auf der Schiene zu transportieren. Aktuell laufen europaweit große Digitalisierungsprogramme an. Eine Reihe technisch bereits existierender Neuerungen und mehr Harmonisierungen im Bahnnetz können in Zukunft deutlich dichtere Zugabfolgen ermöglichen.
Stellwerke und die "Cloud"
In Deutschland will die Deutsche Bahn beispielsweise alle Stellwerke durch digitale Stellwerke in der Cloud ersetzen, erklärt Siemens Mobility-Chef Michael Peter im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. ÖBB-Sprecher Bernd Winter geht davon aus, dass die Annahmen der Spediteure zu optimistisch sind, was die Kostenwahrheit betrifft. Hier erwartet er bis 2030 massive Veränderungen, auch durch eine CO2-Steuer. "Wir werden mit unserem Investitionsprogramm bis zum Jahr 2040 alle Anforderungen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr erfüllen können," so Winter. Aktuell leidet die ÖBB eher an einer Abnahme des Güteraufkommens. Das Geschäftsvolumen liegt derzeit um acht bis zehn Prozent unter dem Vorkrisenniveau.
Die WU-Studie ermittelte auch, in welchem Ausmaß neue Lkw-Typen die CO2-Emmissionen bis 2030 senken können: Demnach würde der CO2-Ausstoß durch den Einsatz von elektrischen Lkw (Batterie) um 34 Prozent sinken, durch LNG-Lastwagen um 17 Prozent, durch Wasserstoff-Lkw um neun Prozent, durch mehr Ladekapazität um vier Prozent. Die Aufhebung vieler Fahrverbote - weniger Umwege - brächte drei Prozent. Bei voller Ausnutzung dieser Potenziale wären das um zwei Drittel weniger Emissionen als 2019.
Claudia Haase