Jetzt ist es fix: Die Belegschaft des MAN-Werks in Steyr hat mehrheitlich gegen den Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH von Siegfried Wolf gestimmt. Von 2356 Stimmberechtigten haben demnach 2215 an dem Votum teilgenommen. 27 Stimmen war ungültig, 2188 gültig. Von den gültigen entfielen 773 (34,9 Prozent) auf "Ja" und 1415 (63,9 Prozent) auf "Nein".
Bei den Leasingkräften war die Ablehnung mit 71,4 Prozent höher als bei der Stammbelegschaft. Die Wahlbeteiligung lag bei insgesamt 94 Prozent. Eine Bestätigung dafür lag zunächst nicht vor. Investor Wolf hatte sich "ungeteilte Zustimmung" gewünscht, aber zumindest zwei Drittel angepeilt.
Mehr als 2300 Beschäftigte waren stimmberechtigt, Leasingarbeiter ebenso wie das Stammpersonal. Wolf will das Werk übernehmen, aber nur einen Teil der Belegschaft behalten. Zudem müssen die Verbleibenden mit Gehaltseinbußen rechnen. Daher wurden die Mitarbeiter von ihrer Vertretung zur Urabstimmung gebeten. Die MAN-Zentrale in München hat bereits die Standortgarantie bis 2030 aufgekündigt und sieht als einzige Alternative die Schließung des Werks bis 2023.
"Großes Bedauern" bei Wolf
"Ich kann dieses Votum heute nur mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen", so Wolf. "Mein Team und ich haben unglaublich viel Herzblut in dieses Projekt investiert, weil ich überzeugt davon bin, dass mit diesem Potenzial an Know-how in der Fahrzeugproduktion an diesem Standort unter der Marke Steyr etwas Neues, Großes entstehen hätte können." Leider sei es ihm nicht gelungen, genügend Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten, um Missinterpretationen und Fehlinformationen entkräften zu können. "Dabei kann ich den Zorn vieler nur zu gut verstehen. Aber auch ich konnte das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, sondern nur ein solides, durchdachtes Konzept für die Zukunft entwickeln", heißt es in der Erklärung. Wolf hatte stets betont, eine Zukunft "mit den Mitarbeitern" anzupeilen.
"Mein Team und ich haben uns in den letzten Monaten voll und ganz auf dieses Konzept konzentriert. Wir haben an neuen Produkten getüftelt und detaillierte wirtschaftliche Überlegungen entwickelt, unter welchen Bedingungen wir neue konkurrenzfähige Fahrzeuge auf den Weltmarkt bringen können. Wir müssen nun dieses Votum zur Kenntnis nehmen." Ob das nun einen endgültigen Rückzug bedeutet, blieb offen. Wolfs Pläne hätten vorgesehen, die Marke Steyr wiederzubeleben. Die MAN-Zentrale in München ließ allerdings wissen, dass man nun die Schließung anpeile.
MAN: "Pläne zur Schließung wieder aufgenommen"
Enttäuscht hat der Vorstand der MAN Truck & Bus auf das Abstimmungsergebnis der Belegschaft in Steyr reagiert. "MAN nimmt jetzt als Konsequenz die Pläne zur Schließung des Werks in Steyr wieder auf", ließ die Zentrale in München in einer Aussendung wissen, dass dies die einzige Alternative zu dem Übernahme-Angebot von Wolf ist. MAN-Personalvorstand und Arbeitsdirektor Martin Rabe erklärte: "Wir sind vom Ergebnis wirklich sehr enttäuscht, da wir die angebotene Alternative zur Schließung als einen für alle Beteiligten sehr guten Weg angesehen haben." Offenbar habe es innerhalb der Belegschaft noch zu wenig Transparenz über "das wirklich gute Konzept der WSA Beteiligungs GmbH" geben, bedauerte Rabe.
Die Belegschaft habe das Konzept klar abgelehnt, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Helmut Emler zur APA. Das Konzept von Wolf sei zwar "schlüssig, die Einschnitte wären aber zu gravierend gewesen. Das sah offenbar auch die Belegschaft so. Der Betriebsrat meinte, dass zudem in den vergangenen Wochen viele Fragen offen geblieben seien, die auch Wolf nicht habe beantworten können.
Betriebsrat will Gespräch suchen
Dass MAN das Werk nun schließen will, ist für die Belegschaftsvertretung noch nicht gegessen: "Als Betriebsrat werden wir morgen beginnen, mit MAN das Gespräch zu suchen", so Emler. Die Schließung sei erst für 2023 vorgesehen, die Kunststofflackiererei, wo rund 400 Mitarbeiter beschäftigt sind, hätte sogar bis 2027 weiter für MAN arbeiten sollen. Ziel sei eine Lösung wie in Deutschland, wo die ursprünglichen Sparpläne entschärft worden sind. Man sei auch anderen Investoren gegenüber offen, sagte er auf das Konsortium rund um den Industriellen Karl Egger (KeKelit) angesprochen, das Interesse gezeigt hatte, aber von MAN nicht ernsthaft erwogen worden war.
Rechtliche Schritte nach der Kündigung des Standortsicherungsvertrags durch die MAN-Zentrale seien vorerst "nicht das Thema", denn "wir haben Vollauslastung, es gibt derzeit keine betriebsbedingten Kündigungen". Eine Schließung "werden wir aber nicht akzeptieren".
Hohe Abstimmungsbeteiligung
94 Prozent der Belegschaft hatten sich an der Urabstimmung in Steyr beteiligt, informierte der Betriebsratschef Erich Schwarz bereits Donnerstagfrüh. Die Auszählung hatte um 7.00 Uhr begonnen.
In den vergangenen Tagen hatte es noch viele Fragen der Beschäftigten gegeben, so Schwarz. Wolf peilte mindestens eine Zwei-Drittel-Mehrheit an. Die Zentrale in München hat bereits klargestellt, dass für sie die einzige Alternative eine Schließung des Standorts ist, wo derzeit rund 2300 Leute arbeiten. Der Betriebsrat pocht nach wie vor auf die Standortgarantie und will diese in Form einer Sammelklage einklagen, sobald betriebsbedingt Kündigungen ausgesprochen werden.
Das sind Wolfs Pläne
Im Vorjahr war bekanntgeworden, dass MAN im Zuge eines riesigen Spar- und Umstrukturierungsprogramms Tausende Stellen einsparen und das Werk in Steyr bis 2023 schließen will. Ende September kündigte MAN die bestehende Standortgarantie, die den Bestand des Unternehmens in Steyr bis zumindest 2030 sichern hätte sollen. Schließlich trat Ex-Magna-Chef Wolf mit seiner WSA Beteiligungs GmbH als Interessent auf den Plan. Er will von der aktuell knapp 1900 Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1250 Leute übernehmen, denen allerdings eine bis zu 15-prozentige Kürzung des Nettoeinkommens droht. Im Gegenzug gibt es Bleibeprämien von 10.000 Euro und einen Sozialplan. Spätestens bis zum Closing - bis Juni will Wolf Alleineigentümer sein - soll jeder Mitarbeiter Gewissheit haben.
Der Ex-Magna-Chef plant die Marke Steyr wiederzubeleben. Produziert werden sollen u.a. leichte Kastenwagen mit Dieselmotoren und Elektroantrieb sowie Pritschenwagen, Kastenwagen und mittlere Lkw zwischen sechs und zwölf Tonnen sowie ein City-Bus mit Elektro-Antrieb und ein Bus für den Regionalverkehr. Potenzial sieht er auch in der Aluminium-Fertigung. Was die Lackiererei angehe, seien Steyr auch MAN-Lieferungen über 2023 hinaus zugesichert worden, auch wenn man wohl Preisabschläge machen müsse.