Die Würfel scheinen gefallen zu sein, die Urabstimmung der Belegschaft über die Zukunft des MAN-Werks in Steyr bringen offenbar eine breite Ablehnung für die Pläne von Unternehmer Siegfried Wolf. Eine offizielle Bestätigung steht noch aus. Mehr dazu hier.

94 Prozent der Belegschaft haben sich an der Urabstimmung um die Zukunft des MAN-Werks in Steyr beteiligt, informierte der Betriebsratschef Erich Schwarz Donnerstagfrüh. Die Auszählung hat um 7.00 Uhr begonnen, ein Ergebnis am Vormittag erwartet. Mehr als 2.300 Beschäftigte waren wahlberechtigt.

Es geht um den Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH von Siegfried Wolf. Der Investor will das Werk übernehmen, aber nur einen Teil der Belegschaft behalten. Die MAN-Zentrale in München sieht als einzige Alternative die Schließung des Werks bis 2023.

Rund 2300 Personen waren stimmberechtigt. Der Andrang war groß, war am Vormittag seitens der Belegschaftsvertretung zu hören. "Stimmst du einem Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH unter den dir bekannten geänderten Rahmenbedingungen zu?", lautete die Frage, die auf dem Stimmzettel steht. Die Öffnungszeiten der Wahllokale waren an die Schichten angepasst. Bis 17.00 Uhr konnte man die Stimme abgeben, danach noch einmal von 22 bis 23 Uhr, um auch jene zu erreichen, die eine Freischicht gehabt haben. Die Beschäftigten durften während der Arbeit abstimmen gehen.

URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS
URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS © (c) FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR (FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR)

Wolf peilt mindestens Zwei-Drittel-Mehrheit an

In den vergangenen Tagen habe es noch viele Fragen der Beschäftigten gegeben, so Schwarz. Für die meiste Unklarheit sorge, dass ein genaues Organigramm fehle, "das ist Wolf schuldig geblieben". Aus diesem würden sich aber für viele ihre eigenen Zukunftsaussichten ergeben. Wolf peilt mindestens eine Zwei-Drittel-Mehrheit an. Was geschieht, wenn diese nicht zustande kommt, ist unklar. Die Zentrale in München hat bereits klargestellt, dass für sie die einzige Alternative eine Schließung des Standorts ist, wo derzeit rund 2300 Leute arbeiten. Der Betriebsrat pocht nach wie vor auf die Standortgarantie und will diese in Form einer Sammelklage einklagen, sobald betriebsbedingt Kündigungen ausgesprochen werden.

URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS
URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS © (c) FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR (FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR)

Im Vorjahr war bekanntgeworden, dass MAN im Zuge eines riesigen Spar- und Umstrukturierungsprogramms Tausende Stellen einsparen und das Werk in Steyr bis 2023 schließen will. Ende September kündigte MAN die bestehende Standortgarantie, die den Bestand des Unternehmens in Steyr bis zumindest 2030 sichern hätte sollen. Schließlich trat Ex-Magna-Chef Siegfried Wolf mit seiner WSA Beteiligungs GmbH als Interessent auf den Plan. Er will von der aktuell knapp 1.900 Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1250 Leute übernehmen, denen allerdings eine bis zu 15-prozentige Kürzung des Nettoeinkommens droht. Im Gegenzug gibt es Bleibeprämien von 10.000 Euro und einen Sozialplan. Spätestens bis zum Closing - bis Juni will Wolf Alleineigentümer sein - soll jeder Mitarbeiter Gewissheit haben.

Was Wolf plant

Der Ex-Magna-Chef plant die Marke Steyr wiederzubeleben. Produziert werden sollen u.a. leichte Kastenwagen mit Dieselmotoren und Elektroantrieb sowie Pritschenwagen, Kastenwagen und mittlere Lkw zwischen sechs und zwölf Tonnen sowie ein City-Bus mit Elektro-Antrieb und ein Bus für den Regionalverkehr. Potenzial sieht er auch in der Aluminium-Fertigung. Was die Lackiererei angehe, seien Steyr auch MAN-Lieferungen über 2023 hinaus zugesichert worden, auch wenn man wohl Preisabschläge machen müsse.

URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS
URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS © (c) FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR (FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR)

Die Belegschaftsvertretung steht Wolfs Plänen abwartend bis skeptisch gegenüber. Unter anderem argumentiert man mit der Angst vor Sanktionen angesichts Wolfs Russland-Verbindungen. Zudem liebäugelt der Betriebsrat offenbar mit einem alternativen Konzept, dem "Green Mobility Center" eines Konsortiums um den Linzer Unternehmer Karl Egger (KeKelit). Diese hat die MAN-Zentrale allerdings als zu wenig konkret erachtet und deshalb nicht ins Auge gefasst. Nichts Greifbares gab es zu einem Österreich-Konsortium, das Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) kurz nach Bekanntwerden der Schließungspläne angekündigt hatte. Die Mutter in München hat jedenfalls die Rute ins Fenster gestellt: Wolf oder Schließung. Nun ist die Belegschaft am Wort.

Abwartend gab sich am Mittwoch die Bundesregierung: Es sei wichtig, die Arbeitsplätze zu sichern, meinte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) auf Journalistenfragen im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Er hoffe, dass dies gelinge, denn es hingen ja tausende Arbeitsplätze auch außerhalb daran. "Warten wir ab." Auch Schramböck betonte, es sei wichtig, die Arbeitsplätze für die Zukunft zu erhalten. Sie hoffe, dass die Abstimmung für eine "positive Zukunft" ausgehe. Man sei auch in intensiven Gesprächen mit dem Land Oberösterreich.

MAN verlagert Produktion nach Polen

MAN wird sich unterdesssen aus der Produktion in Steyr zurückziehen und will das Geschäft unter anderem nach Polen verlagern. Ein Argument dafür ist, dass auch 17 Jahre nach der großen Osterweiterung der EU das Lohngefälle weiter groß ist. In den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten (MOEL) betragen die Bruttolöhne im Durchschnitt zwischen einem Drittel und der Hälfte des österreichischen Lohnsatzes, in Bulgarien sogar nur etwa 20 Prozent.

Länder mit ursprünglich sehr niedrigem Lohnniveau hatten seit 2004 den stärksten Zuwachs, Spitzenreiter Slowenien wie auch Ungarn nur einen relativ geringen, stellt Michael Landesmann vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Rahmen des Wissenschaftsnetzwerkes Diskurs fest. Die Lohnunterschiede innerhalb der einzelnen Länder sind dabei mit Ausnahme der Hauptsstadtregionen nicht viel größer als in Österreich.

Dass die Löhne in Ost- und Mitteleuropa niedrig sind, habe viel damit zu tun, wie sie ausverhandelt werden, sagt Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut in Düsseldorf. "In den meisten MOEL werden die Löhne nach wie vor überwiegend individuell ausgehandelt. Dies liege daran, dass Kollektivverträge nur eine Minderheit der Beschäftigten erfassen, so der Experte für europäische Mindestlöhne. In Polen gelten sie nur für 17 Prozent, in Ungarn für ein Fünftel, in der Slowakei für ein Viertel und in Tschechien für 30 Prozent. Kollektivverträge würden in den MOEL meist auf Betriebsebene abgeschlossen, Branchen-Kollektivverträge wie in Österreich gebe es kaum.

Damit sei aber der gesetzliche Mindestlohn das letzte Sicherheitsnetz und dieser betrage in Polen 3,64 Euro pro Stunde, in der Slowakei 3,58 Euro, in Tschechien 3,42 Euro und in Ungarn lediglich 2,64 Euro. Damit liegen die Mindestlohnsätze in den MOEL bei einen Drittel der westeuropäischen Werte.