Unter Experten gilt es fast als ausgemacht, dass im Lkw-Fernverkehr Wasserstoff das Antriebsmittel der Zukunft ist. Zwar testen die großen Hersteller von Trucks auch nach wie vor batteriebetriebene Zugmaschinen. Wenn es in den nächsten Jahren aber keine sehr großen technologischen Sprünge gibt, dürften elektrische Laster nur für Kurz- und Mittelstrecken interessant sein und dürfte für die Langstrecke der Wasserstoff-Brummi die Nase vorn haben. Deshalb blickt die Welt im Moment in die Schweiz: Dort sind nämlich schon jetzt sieben Wasserstofflastwagen des koreanischen Hyundai-Konzerns im Echtbetrieb unterwegs.
Möglich wurde das durch eine ungewöhnliche Initiative, dem Förderverein H2. Er zählt 21 Mitglieder, die über ihre Kooperation vor allem die Wasserstoffverfügbarkeit und -abnahme gesichert haben und sich jetzt über eine Befreiung der teuren Maut in der Schweiz freuen können. Die Schweiz ist Hyundais Musterland, 2025 sollen hier bereits 1600 umweltfreundliche Lastesel dieser völlig neuen Fahrzeuggeneration unterwegs sein.
Über den Logistikkonzern Gebrüder Weiss ist auch ein österreichischer Global Player an Bord der Schweizer Pioniere. Die Spedition hat in St. Gallen kurz hinter der Grenze im Jänner einen dieser neuen Hyundai Xcient Fuel Cell stationiert. Was sagt Jürgen Bauer, Mitglied der Geschäftsleitung bei Gebrüder Weiss, nach zwei Monaten Betrieb? „Die zwei Monate sind perfekt gelaufen, der Fahrer ist absolut begeistert, weil der Lkw extrem leise ist und ruhig läuft.“ Ganz anders als beim elektrischen Aufladen braucht der Wasserstofflaster nur zwei bis drei Minuten mehr Zeit zum Betanken als ein Diesel, dann kann er wieder rund 450 Kilometer abspulen. „Wir haben noch nie so viele Reaktionen und Anfragen zu einem Lkw bekommen. Es ist schon passiert, dass bei Kunden die ganze Belegschaft zum Schauen vor die Tür gekommen ist,“ erzählt Bauer. Sobald Hyundai auch ein Modell mit Planen- statt Fixaufbauten liefern kann, will man die Flotte aufstocken, trotz der rund 20 Prozent höheren Kosten im Vergleich zum Diesel – dabei sind allerdings schon alle Vorteile abgezogen, wie etwa die Befreiung von den Straßengebühren in der Schweiz.
Warum der Hyundai Xcient noch nicht in Österreich unterwegs ist? Noch sind die fünf Tankstellen der OMV, an denen Wasserstoff getankt werden könnte, nicht auf Lkw ausgelegt. Das sind unterschiedliche Systeme mit völlig unterschiedlichen Drücken. In der Schweiz gibt es sechs Zapfstellen, weitere sind in Planung. Bauer zufolge ist die Tankstellennutzung bereits ab 15 Lkw kostendeckend. In der Schweiz liefert Hydrospider den grünen Wasserstoff. Aber auch ohne Hyundai-Servicenetz würde Bauer keinen der Lkw durch Österreich schicken.
Über die Anschaffungskosten eines solchen Lkw will niemand Konkretes preisgeben. Sie sollen beim Drei- bis Vierfachen eines normalen Dieseltrucks liegen, was in einer Startphase wenig überrascht. Eine „attraktive Direktförderung“ könnte Bauer zufolge das Thema auch in Österreich deutlich schneller als bisher in Fahrt bringen. Politisch nur auf die Schiene zu setzen, greife einfach zu kurz, sagt er. Ein Modell wie in der Schweiz auch hierzulande umzusetzen, hielte Bauer für gut.
Die OMV steigt zwar noch nicht bei der Umrüstung der Tankstellen aufs Gas, wo sie derzeit nur aus Erdgas erzeugten Wasserstoff anbieten kann, aber sie baut in Schwechat eine Elektrolyse mit zehn Megawatt Leistung für grünen, also mit Ökostrom erzeugten Wasserstoff. Damit sollen in zwei Jahren rund 150 Lkw mit einer Kilometerleistung bis zu 150.000 Kilometer versorgt werden können. Der erste prominente Partner ist die Post, weitere werden gesucht. „Uns geht es natürlich um eine ganze Versorgungskette,“ sagt OMV-Manager Dirk Langhammer. Schwechat sei gewählt worden, weil es da eine gute Infrastruktur und die notwendige Erfahrung im Handling mit Wasserstoff gebe.
In der Schweiz hat man den Start dagegen mit einer 2-Megawatt-Anlage, die bei einem Wasserkraftwerk steht, hingelegt. Sie deckt den Jahresverbrauch von 40 bis 50 Lkw.
In Österreich baut der Verbund ein internationales Rückgrat für die Wasserstoffversorgung auf, weil der mittelfristige Bedarf auch für die Industrie nur durch österreichischen Ökostrom nicht zu decken ist. Die Post als erster Partner der OMV ist schon eng mit Hyundai und auch Verbund in Kontakt. Die Post würde gern vorerst einige ihrer 150 schweren Lkw umstellen – und natürlich auch beim Verbund tanken, wenn das ginge. „Noch haben wir ein Henne-Ei-Problem,“ so Post-Logistikchef Thomas Fellner. Um das aufzulösen, brauche es eine klare Wasserstoffstrategie der Regierung und mehr Unterstützung.
Claudia Haase