Mehr als fünf Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals macht Volkswagen Schadensersatzansprüche gegen den damaligen Konzernchef Martin Winterkorn und den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler geltend. Das hat der Aufsichtsrat am Freitag beschlossen, teilte der Konzern mit.
Zuvor ist eine Anwaltskanzlei nach mehrjährigen Ermittlungen zu den Hintergründen und Verantwortlichkeiten der millionenfachen Abgasmanipulation zu dem Ergebnis gekommen, dass die Manager aktienrechtliche Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Nach den Untersuchungen stehe für des Aufsichtsrates fest, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Winterkorn es in der Zeit ab dem 27. Juli 2015 unterlassen habe, die Hintergründe des Einsatzes unzulässiger Softwarefunktionen in Dieselmotoren unverzüglich und umfassend aufzuklären, die zwischen 2009 und 2015 in Nordamerika verkauft wurden. Außerdem habe es Winterkorn unterlassen, dafür zu sorgen, dass die in diesem Zusammenhang von den US-Behörden gestellten Fragen umgehend wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet wurden.
Seit Herbst vor dem Landgericht München
Der frühere Audi-Chef Stadler habe seine Pflichten verletzt, indem er es nach dem 21. September 2016 unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass von der VW-Tochter entwickelte große Dieselmotoren auf unzulässige Softwarefunktionen untersucht wurden. Stadler muss sich wegen des Dieselskandals zusammen mit anderen ehemaligen Audi- und Porsche-Managern bereits seit Herbst vor dem Landgericht München verantworten.
Sowohl Winterkorn als auch Stadler haben mehrfach erklärt, nichts von dem Dieselbetrug gewusst zu haben. Winterkorn war wegen des Abgasskandals im September 2015 zurückgetreten. Er muss sich ab dem 16. September 2021 vor dem Landgericht Braunschweig wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verantworten. Volkswagen hatte auf Druck der US-Umweltbehörden vor fünfeinhalb Jahren zugegeben, millionenfach Diesel-Abgaswerte durch eine Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung manipuliert zu haben. Die Wiedergutmachung hat den Konzern bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet, vor allem Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA.
Winterkorn bedauert Beschluss der Kontrolleure
Die vom Ex-VW-Konzernchef Winterkorn beauftragten Juristen teilten ihrerseits mit, Winterkorn bedauere den Beschluss der Kontrolleure in Wolfsburg. Den Vorwurf, er habe im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen seine Pflichten unzureichend wahrgenommen, weise er zurück. Dabei bezog sich Winterkorn auf den fraglichen "knappen Zeitraum im Spätsommer 2015, der hier noch zur Erörterung steht" - kurz vor dem Bekanntwerden der Täuschungen in den USA.
Der Bericht der Prüfer liege Winterkorn bisher allerdings nicht vor, hieß es. "Er wird daher eine Klärung dieser Fragen im Dialog mit der Volkswagen AG suchen." Um welche Haftungssumme es gehen könnte, ist noch nicht bekannt. VW kostete die juristische Aufarbeitung des Dieselskandals bisher schon weit über 30 Milliarden Euro.