Hoffnung ist laut Definition eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungshaltung, dass Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht. Besser lässt sich der Zustand der Luftfahrtindustrie kaum beschreiben. An diese Hoffnung klammert sie sich seit einem Jahr. Mit Ausnahme des vorigen Sommers ist diese Hoffnung bis heute laufend enttäuscht worden.
Nach wie vor ersticken weltweit unterschiedlichste Einreisebestimmungen und Quarantäneregelungen jeden Aufschwung im Keim. Rund um den Globus sicherten die Staaten mit geschätzten 200 Milliarden US-Dollar an Hilfen das Überleben der Branche, trotzdem summierten sich laut Weltluftfahrtverband IATA die Verluste im Jahr 2020 auf 118 Milliarden Dollar. Die Nachfrage lag bei einem Drittel des Jahres 2019. Die Luftfahrt liegt in Agonie.
Wann geht es wieder bergauf?
Wie geht es weiter, wann wieder bergauf? Auch hier regiert das Prinzip Hoffnung. Ein halbwegs gut laufender Sommer würde den Fluglinien etwas Luft verschaffen, denn in der Hauptreisezeit verdienen die Fluglinien das meiste Geld. Kommt es anders, wird es wieder eng, deutet Austrian-Airlines-Chef Alexis von Hoensbroech an. Die erwartete Auslese und Marktbereinigung hat die Krise bisher nur bedingt gebracht. An die 50 Fluglinien schlitterten in den Konkurs, weitere werden folgen, wenn Staatshilfen versiegen. Gleichzeitig witterten einige ihre Chance, etwa 30 Fluglinien sind neu gegründet worden.
Die Luftfahrtindustrie wird sich verändern
Wann immer es wieder bergauf gehen wird, die Luftfahrtindustrie wird sich verändert haben. Zuerst einmal kleiner und schlanker. Hunderttausende Menschen haben ihren Job in der Luftfahrt verloren. Allein von den etwa 330.000 Piloten ist die Hälfte arbeitslos. Spätestens jetzt sind viele Fluglinien gezwungen, wie AUA oder Lufthansa, ihre Unternehmen neu aufzustellen und zu strukturieren, Altlasten abzuwerfen.
Flugzeugflotten werden bereinigt
Parallel dazu werden Flugzeugflotten bereinigt. Alte, spritfressende und zu große Flugzeuge werden ausgemustert, darunter fast alle vierstrahligen Flugzeuge wie der A 380 oder die Boeing 747. Milliarden werden in neue Jets investiert. Als Ergebnis werden die Flotten jünger und sauberer. Gleichzeitig wird intensiv in die Forschung für alternative Antriebe investiert. All das hilft den Fluglinien, ihre Klimaziele rascher zu erreichen.
Waren vor Corona 30.000 Städte direkt miteinander verbunden, sind es jetzt nur 12.000. Mit im Schnitt 20 Flügen pro Monat, vor der Krise waren es 43. Große Umsteigeflughäfen haben so an Bedeutung gewonnen, kleinere Flughäfen zunehmend existenzielle Sorgen. Relativ gut erholt hat sich der Flugverkehr nur in den großen Inlandsmärkten, wie den USA und China. Die EU wäre auch ein großer Inlandsmarkt, ist durch die vielen individuellen Beschränkungen aber in lauter Nationalstaaten zerfallen. Das Angebot an interkontinentalen Flügen ist stark reduziert, Geschäftsreisende bleiben aus, Videokonferenzen sind sicherer. Mit der Businessclass haben die Fluglinien viel Geld verdient, jetzt reduzieren sie deren Größe deutlich und konzentrieren ihre Streckenplanung mehr auf touristische Ziele.
Weiterhin Überkapazitäten am Markt
Noch gibt es Überkapazitäten am Markt, das verhindert, dass die Preise stärker steigen. Sollten die Impfkampagnen wirken und digitale Impfnachweise tatsächlich rasch kommen, wird die Lust aufs Wegfliegen rasch zurückkehren. Das zeigt die jüngste Öffnung der Urlauberinsel Mallorca für deutsche Urlauber, die die Buchungen schlagartig explodieren ließ. Dann aber könnten die Kapazitäten deutlich knapper werden und die Preise steigen. Es wird auch davon abhängen, ob und wann die Billigfluglinien ihre Kraft wiedererlangen und es wieder „Preisschlachten“ gibt wie vor der Krise.
Impfen und Testen wird uns lange, vielleicht auf Dauer begleiten. Ob digitaler grüner Pass, ob Travelpass, ob digitaler Impfpass: Effektiv werden diese Nachweise nur dann, wenn gleichzeitig die vielen Reisewarnungen und -beschränkungen aufgehoben werden. Dann steht dem Aufbruch der Luftfahrt wohl nichts mehr im Weg. Echte Erholung wird, so die IATA, erst für 2024 erwartet.
Michael Csoklich