Sie haben wohlklingende Vornamen. Und beantworten mit gleichbleibender Ruhe die immer selben Fragen. Sie sind rund um die Uhr erreichbar, übernehmen selbstständig Koordinierungsarbeiten und helfen so bei der Jobvermittlung. Allein: Sie sind keine Menschen.
Wer mit Chatbots kommuniziert, kommuniziert mit einem Computer – so programmierbar, dass die Grenze zwischen Mensch und Maschine aber langsam zu verschmelzen scheint. Diese Anwendung künstlicher Intelligenz wird derzeit von Unternehmen vornehmlich im Kundenservice auf Websites genutzt, beim Recruiting neuer Mitarbeiter steckt sie aber immer noch in den Kinderschuhen. „Dabei würde ein gezielter Einsatz in Bewerbungsverfahren durchaus Sinn machen“, ist Milena Kreinbucher-Bekerle überzeugt. Die Human-Resources-Expertin, die sich seit über fünfzehn Jahren der Gestaltung und Optimierung der HR-Prozesse und der Entwicklung von Unternehmenskultur widmet, ist seit knapp zwei Jahren in diesem Bereich bei Solvion Information Management tätig. Das Unternehmen arbeitet unter anderem auch an der Entwicklung von Chatbots.
Derartige Computerprogramme sind vor allem dort sinnvoll, wo Menschen immer wieder dieselben Fragen stellen. Sie können Standardantworten liefern beziehungsweise gegebene Antworten gleich sortieren und so im Hintergrund eine erste Auswahl vornehmen. Den ersten Nutzen sieht Kreinbucher-Bekerle aber schon einen Schritt davor – in der beschleunigten Kontaktaufnahme. Denn Chatbots kennen keine Bürozeiten – sie arbeiten rund um die Uhr. Bewerber werden so unabhängig von Tag und Uhrzeit vom Bot in Empfang genommen. Und sie antworten auch zeitnah, was dem Bewerber nervenaufreibendes Warten auf Antworten erspart und ihn umgekehrt schon früh an das Unternehmen bindet.
Das alles macht der Computer aber nicht aus Eigenantrieb und ungesteuert. „Ein Chatbot ist nur so gut und sein Nutzen nur so groß, wie er von Menschen programmiert und im Bewerbungsverfahren installiert und positioniert wird“, betont Kreinbucher-Bekerle. Die Wirkkraft folgt handelsüblicher Algorithmus-Logik: Je mehr Informationen gesammelt werden, desto mehr Muster in Bezug auf Verhalten, Vorlieben und Vorkenntnisse kann das Programm errechnen und mit den Anforderungen abgleichen. Der Bot kann, wenn entsprechend programmiert, als Zusatzquellen auch Informationen aus der digitalen DNA des Kandidaten einfließen lassen – sprich: Daten aus den Profilen und Postings auf Facebook, LinkedIn, Instagram oder anderen Social-Media-Plattformen.
Auswirkungen auf Bewerbungsgespräche?
Das muss für den Bewerber nicht zwingend Nachteile haben. Er muss sich nur über die mögliche Tragweite derartiger Aktivitäten im Klaren sein. Der Kandidat bekommt dafür aber einen beschleunigten, orts- und zeitunabhängigen Bewerbungsprozess geliefert, bei dem er auch schneller weiß, woran er ist und wie und ob es weitergeht, weil das Programm operativen Kleinkram wie das Einfordern von fehlenden Unterlagen oder das Akkordieren von Folgeterminen selbstständig übernimmt. Und bei dem auch tradierte Hemmschwellen sinken. „Einen anonymen Chatbot traut man sich auch Fragen zum x-ten Mal und lockerer zu stellen“, sagt Kreinbucher-Bekerle.
Kann man sich damit das kalenderartige Aufzählen von Lebenslauf-Stationen bei Bewerbungsgesprächen ersparen? Man könnte es, Kreinbucher-Bekerle würde aber nicht darauf verzichten, „weil es zum einen dem Bewerber ein angenehmeres Ankommen und ein Gespräch auf Augenhöhe ermöglicht, zum anderen der Bot nicht die mitschwingenden Zwischentöne und die tatsächlich mit den einzelnen Positionen verbundene Verantwortung beurteilen kann“. Diese Einordnungen bleiben Hoheitsgebiet des Menschen.
Klaus Höfler