Gähnende Leere im Schaufenster: „Wir danken für Ihre jahrelange Treue ...“ Letzte Grüße von Händlern in Stadtkernen, jeder kennt sie zur Genüge. Trost- und Ratlosigkeit breitet sich mancherorts aus. Die Klage ist freilich nicht neu. Hannes Lindner ist Chronist des Überlebenskampfes in Österreichs Innenstädten. 2013 begann der Chef der Beratungsfirma Standort + Markt, alle Bewegungen in den City-Geschäftszonen zu erheben und zu analysieren – nach Leerstand, Fluktuation und Branchenmix. Die Studie, die 24 innerstädtische Geschäftsbereiche und 16 ausgewählte Kleinstädte umfasst, wird jedes Jahr aktualisiert. „Die Datenbank ist einzigartig in Österreich“, sagt Lindner.
Wie geht es nun den Stadt- bzw. Ortskernen? Stimmt es, dass sie gegen Shoppingcenter an den Rändern und gegen Amazon und Co. auf verlorenem Posten stehen? Die Zeitreihe zeigt, dass sich aktuell nur noch zehn Geschäftsbereiche positiv entwickeln. Der Verlust an Handelsflächen habe sich in den beiden letzten Jahren beschleunigt; in leere Geschäfte zogen Büros, Praxen, Dienstleister oder Lagerflächen ein. Die Auswirkungen von Corona seien noch nicht angekommen, würden es aber bald tun, so die Studie: „Heuer und 2022 rechnen wir mit stärkeren Turbulenzen in den Innenstädten.“
Bedroht sind vor allem Modehändler. Diesem Bereich ging es schon vor Corona nicht gut, wie die Pleiten großer und kleiner Filialisten belegen. In der Pandemie büßte der Textilhandel wie kaum eine Branche Umsatz ein. Seit 2014 sank der Anteil in den Ortskernen um 4,2 Prozentpunkte auf 28,8 Prozent; dominant im Branchenmix ist der Textilhandel aber immer noch.
Klagenfurt. Im Detail ist die Lage in den Städten sehr unterschiedlich. Klagenfurt etwa gilt derzeit als „Krisenstadt“, blickt man auf den Handel in der City. Die Leerstandsrate ist mit 13,5 Prozent weit über dem Schnitt von 7,5 Prozent und stieg seit 2018 deutlich an. Es gibt, so die Studie, zu viel Fläche, die der Markt nicht hergebe. „Krisengeschüttelte Innenstädte brauchen oft Jahre, um ihre Position nachhaltig zu verbessern.“
Graz. Weit besser steht Graz da, auch wenn die Wahrnehmung oft anders ist. Mit dem früheren Stiefelkönig steht immerhin seit drei Jahren eine Toplage leer. Doch ist Graz mit einem Leerstand von 3,9 Prozent in einer Liga mit Wien und Salzburg. Als gesund gilt die Innenstadt dennoch nicht, habe aber „Potenzial“. Mit Zara an der Toplage am Eisernen Tor zog vor Kurzem eine große Modekette aus.
Villach hat sich stark verbessert. Die Leerstandsrate ist mit 7,8 Prozent nur noch halb so hoch wie vor drei Jahren. 14 Prozent Fluktuation ist knapp über dem Durchschnitt.
Leoben zählt für Lindner zu den Gewinnern, konnte den Leerstand auf 5,8 Prozent stark verringern. Mit dem LCS gibt es eine Mall im Zentrum, hingegen weicht die frühere Rathauspassage mit unzähligen Leerständen einem Kongresszentrum.
Situation in Kleinstädten ist schwieriger
Apropos. Dass der Tourismus eine wichtige Rolle für den Innenstadthandel spielt, zeige gerade Corona. 2020 haben Leerstände in den Besuchermagneten Wien, Salzburg und Innsbruck stärker zugenommen. Die Situation in Kleinstädten ist indes schwieriger: Dort kämpft man generell mit höheren Leerständen (im Schnitt 15 Prozent) als in Ballungszentren.
„Der Rückgang der Verkaufsflächen der letzten zehn Jahre ist stiller Zeuge der veränderten Konsumgewohnheiten“, rekapituliert Rainer Will, Chef des Handelsverbandes. „Der Leerstand ist Wachstumskaiser.“
Erst nach dem Stopp staatlicher Hilfen werde sich zeigen, welche Geschäfte offen bleiben oder verschwinden, so Lindner. Er erwartet jedenfalls mehr Dynamik, also weiter wachsende Leerstände und eine höhere Fluktuation. An die Adresse der Regierung: „Es braucht jetzt Planungssicherheit.“