Es sind Lostage für das MAN-Werk in Steyr, das ja 2023 geschlossen werden soll. Heute soll der Aufsichtsrat des LKW-Bauers über das Angebot des Investors Siegfried Wolf entscheiden, mit dem in den vergangenen Wochen exklusiv verhandelt wurde. Wolf will 1250, der zuletzt rund 1950 Mitarbeiter der Stammbelegschaft, weiterbeschäftigen. MAN hatte zuletzt unterstrichen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder Wolf erhält den Zuschlag oder das Werk müsse zugesperrt werden. Laut seinem Konzept, das der Kleinen Zeitung in Auszügen vorliegt, plant Wolf, die Marke "Steyr" wiederzubeleben und am Standort u. a. Kleintransporter, E-Busse sowie bis zu 12.000 Lkw-Fahrerkabinen zu fertigen. Eine Schlüsselrolle soll dabei der russische Hersteller GAZ spielen, Steyr soll zu einem Export-Hub für 44 Länder werden. Es ist von einer Achse "Steyr-Nischni Nowgorod" die Rede, bei der Teile in Steyr für GAZ gefertigt werden, aber auch umgekehrt, Komponenten nach Oberösterreich geliefert werden.
Die zuletzt hohen Lohnkosten sollen aber sinken. Um bis zu 15 Prozent weniger Nettolohn sieht das Wolf-Konzept vor, gleichzeitig ist aber auch eine Weiterbeschäftigungsprämie von 10.000 Euro geplant. Für jene Mitarbeiter, die im Laufe der nächsten 19 Monate das Werk verlassen (bis dahin ist MAN noch an Bord), soll es einen umfangreichen Sozialplan geben, kolportiert wird, neben einer Einmalzahlung von 10.000 Euro u. a. auch die Auszahlung von 30 Monatsgehältern sowie etwaige Jubiläumsgelder.
Wolf will Steyr, weg von der verlängerten Werkbank, hin zu einem eigenständigen Center of Competence positionieren und innovative Technologien wie Wasserstoff, autonomes Fahren etablieren, auch eine Hightech-Lackieranlage für Großkunststoffteile soll geplant sein. Als Käufer würde zu 100 Prozent Wolf selbst auftreten. Das Gesamtvolumen des Deals soll "mehrere Hundert Millionen Euro umfassen". Es gehe darum, "Betroffene zu Beteiligten zu machen", war zuletzt häufiger aus Wolfs Umfeld zu hören.
Nur mit Wolf über "mögliche Nachnutzung" verhandelt
Die MAN Zentrale in München ließ am Freitag keine Zweifel aufkommen, dass ausschließlich mit Wolf über eine "mögliche Nachnutzung" verhandelt werde. So wurde in einer Aussendung bekannt gegeben, dass Richard von Braunschweig (48) Mitglied der Geschäftsführung der MAN Truck & Bus Österreich GesmbH werde und den langjährigen Geschäftsführer Karl-Heinz Rauscher (60) ablöst. Von Braunschweig, der zuletzt die Übernahme der ebenfalls von der Schließung bedrohten Betriebsstätte Plauen durch den Sonderfahrzeugbauer BINZ maßgeblich begleitet hatte, soll auch ein ähnliches Modell für Steyr mit Wolf vorantreiben, "um eine Standortschließung zu vermeiden".
Green-Mobility-Konsortium übermittelte ebenfalls Konzept
Zuletzt war aber auch von einem zweiten Interessenten, rund um den Linzer Unternehmer Karl Egger (KeKelit) zu hören. Tatsächlich hat diese Gruppe nun ebenfalls ein Konzept an MAN übermittelt. Man wolle das Werk übernehmen und zu einem "Green Mobility Center" weiterentwickeln. Von den 2300 Mitarbeitern, 1950 gehören zur Stammbelegschaft, könnten demnach 1850 weiterarbeiten.
Jetzt sei man für Gespräche zur Übernahme von MAN Steyr bereit, erklärte Konsortium-Sprecher Gerald Ganzger. Der Anwalt bildet, gemeinsam mit seinem Kollegen Gabriel Lansky, sowie dem Unternehmer Gerald Gerstbauer, die LGG Industriebeteiligung. Sie vertritt die Interessen eines Konsortiums mit nationalen und internationalen Partnern. Struktur und Zusammensetzung seien weit fortgeschritten, heißt es. LGG verhandle sowohl mit der tschechischen TATRA als auch mit Automobilproduzenten aus dem süd-ost-asiatischen Bereich. Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer sei beratend tätig. Über die Finanzierung war vorerst nichts bekannt.
Das MAN übermittelte Konzept, das der APA vorliegt, sei "krisenfester und diversifizierter als das, nur von Russland abhängige Konzept, das derzeit verhandelt wird," spielt Ganzger auf Wolfs Verbindungen zum russischen Automobilproduzenten GAZ Group und dem Oligarchen Oleg Deripaska an. US-Sanktionen gegen Russland sprechen auch für Arbeiterbetriebsrat Erich Schwarz gegen das Wolf-Konzept. Dies will er in der Aufsichtsratssitzung am heutigen Freitag nochmals thematisieren. Den Plan für ein Green-Mobility-Center hält er, aufgrund der breiten Aufstellung, grundsätzlich für solider. Es sei für ihn jedenfalls eine Basis, aufgrund derer, der Vorstand "ernsthafte Verhandlungen mit dem Konsortium aufnehmen sollte", stelle er klar.
Laut Phase 1 des Konzeptes könnten in Steyr zukünftig 10.000 Lkw in der "Truck-Montage Großserie inklusive eMobility und Hydrogen Antriebe" gefertigt werden. Von den derzeit 1.330 Beschäftigten im Bereich der Lkw und Führerhausmontage könnten potenziell 665 in jene Truck-Montage wechseln. In der Lackierung rechnet das Konsortium sogar mit 290 neuen Stellen. In Summe gesehen blieben in dem Fortführungskonzept 1.850 Stellen erhalten. Nachdem die Stammbelegschaft derzeit nur um 100 mehr betrage, sei dieser Stellenabbau "locker machbar" meint Schwarz. In Phase 2 bis zum Jahr 2030 geht man davon aus, dass Steyr ein Potenzial von 10.000 Vollzeitarbeitsplätzen habe.
MAN plant im Rahmen eines konzernweiten Sparprogramms, das Werk in Steyr 2023 zu schließen. Belegschaft und Politik pochen darauf, dass der Standort rentabel sei und dass es Standortsicherungsverträge gebe. Diese hätten den Bestand bis 2030 eigentlich garantieren sollen, dies wurde von MAN aber aufgekündigt.