Die Zahlen des Fahrradherstellers KTM in Mattighofen (OÖ) belegen den Boom eindrucksvoll. In der Vorsaison verließen 260.000 Räder die Werke, 190.000 davon waren E-Bikes. In der aktuellen Saison, die bis Sommer läuft, werden es, so der Plan, insgesamt 350.000 Räder sein, davon 230.000 mit E-Motor. Im Modelljahr 2022 soll die Produktion wiederum auf 460.000 Räder, davon 280.000 E-Bikes, erhöht werden. KTM investiert seit drei Jahren Millionenbeträge in den Ausbau der Fertigung und der Logistik, erklärt Sprecher Matthias Grick, allein heuer kämen drei neue Hallen hinzu. „Wir bauen derzeit 1000 Räder pro Tag zusammen, nächstes Jahr werden es 1400 sein.“
Dennoch kommt die Branche – weltweit – mit den Lieferungen kaum nach, so hoch ist die Nachfrage. Im Handel steigen die Verkaufszahlen insbesondere der E-Bikes seit Jahren an. Bei Gigasport ist jedes dritte verkaufte Rad ein solches, bei Intersport sind es 40 bis 45 Prozent, bei Hervis fast jedes zweite. Alle sind sich einig, dass die Nachfrage weiter steigen wird, dies aber nicht der einzige Grund für die langen Wartezeiten ist. Wegen Corona funktionieren die Lieferketten nicht. „Die Situation bei E-Bikes ist noch heikler als bei Rädern allgemein“, erklärt Tobias Bachlechner von Gigasport. Die Vorlaufzeiten in der Produktion würden sich enorm in die Länge ziehen, da Hersteller die Teile nicht oder nur verzögert geliefert bekommen.
Dilemma dürfte zwei, drei Jahre anhalten
Die Komponenten kommen größtenteils aus dem Ausland, Asien spielt eine wesentliche Rolle. „Es ist eine Kunst, die richtigen Teile zum richtigen Zeitpunkt zu bestellen“, bestätigt Grick (KTM). „Dauerte es von der Bestellung bis zur Lieferung in der Vergangenheit rund sechs Monate, sind es jetzt 14 bis 16 Monate, bis die Ware im Geschäft steht“, so Bachlechner. Für 2022 sei daher längst alles geordert. „Wir bestellen bereits für 2023. Wer zu spät dran ist, wird in zwei Jahren keine E-Bikes im Geschäft haben“, sagt Georg David von Intersport.
Für Hans-Jürgen Schoder, Sprecher der Industrie (Arge Fahrrad), „handelt es sich um einen globalen Boom“, der schon vor der Pandemie eingesetzt hat. „Die Kapazitäten sind damals nicht sofort mitgewachsen. Und wir haben das zusätzliche Problem, dass die Fabriken wegen Corona noch nicht auf Volllast laufen.“ Zwei bis drei Jahre, so schätzt Schoder, dürfte dieses Dilemma anhalten. Den Boom erklärt Schoder für Österreich mit den Bergen (E-Mountainbikes), aber auch mit dem Trend, dass immer mehr Berufspendler auf E-Räder umsteigen. Förderungen hätten das Thema zusätzlich angeheizt.
Preisniveau liegt über dem Vorjahr
Was bedeutet das für Konsumenten? „Es gibt ein Angebot, aber man kann im Sportgeschäft aktuell nicht aus 25 Elektrorädern aussuchen. Und es kann sein, dass das gewünschte Rad erst in einigen Wochen lieferbar ist – oder auch gar nicht“, sagt Bachlechner. Tipp: „Wer sich heuer ein E-Bike kaufen möchte, sollte dies bald tun.“ Preislich ist man ab 2500 bis 3000 Euro dabei, nach oben geht es bis über 10.000. Schoder ortet hier bereits einen Trend zu „SUV-Rädern“.
Eine Alternative im Fahrradsektor ist der Gebrauchtmarkt. Die Plattform Willhaben registrierte 2020 mehr als fünf Millionen Stichwortsuchen nach E-Fahrrädern. Die stärkste Nachfrage herrschte übrigens rund um den ersten Lockdown, erhob Willhaben-Sprecher Andreas Pucher. Anfang März heuer standen österreichweit 3700 E-Bikes zum Verkauf. Doch sind Neuräder knapp, steigen die Preise auch für Gebrauchträder. So liege das Preisniveau aktuell über jenem des Vorjahres.