Die Europäische Zentralbank (EZB) will sich mit mehr Tempo bei ihren Anleihenkäufen gegen den jüngsten Rendite-Anstieg bei Staatsanleihen stemmen. Sie will damit höhere Finanzierungskosten für Firmen, Staaten und Haushalte verhindern, die wegen der weiter flauen Konjunktur im Euroraum zur Unzeit kämen. "In diesem Umfeld bleibt die Sicherstellung günstiger Finanzierungsbedingungen während der Pandemie-Phase entscheidend", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Die Finanzmärkte reagierten umgehend. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Bonds fiel zeitweise um vier Basispunkte auf minus 0,363 Prozent. Auch die Verzinsungen italienischer, portugiesischer und spanischer Anleihen gaben deutlich nach. Die Aktienmärkte reagierten mit Kurszuwächsen.
Die EZB wolle eine aus ihrer Sicht verfrühte Verschärfung der Finanzierungskonditionen auf jeden Fall verhindern, sagte Jörg Angele, Volkswirt beim Schweizer Bankhaus Bantleon, zu der Entscheidung. "Angesichts des unsicheren Konjunkturausblicks für die nächsten Monate ist dies nachvollziehbar." Aus Sicht von LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert hat die EZB schnell auf den Renditeanstieg reagiert. Die weitere Entwicklung werde spannend sein. Es könne sein, dass einige Akteure die Entschlossenheit der EZB testen würden, so dass noch ein weiterer Renditeanstieg zu sehen sein werde. "Aber letztlich sitzt die Zentralbank am längeren Hebel, weil sie über unbegrenzte Munition verfügt."
Notfall-Programm wird deutlich umfangreicher ausfallen
Auch Daniel Lenz, Anleihestratege bei der DZ Bank, rechnet damit, dass der Markt die Handlungsbereitschaft der EZB in den kommenden Wochen testen wird. "Vor allem die wöchentlichen Daten zu den Anleihekäufen werden ein Gradmesser dafür sein, wie sehr sich die Notenbank einem weiteren Renditeanstieg entgegenstellt."
Lagarde kündigte an, dass die Anleihenkäufe im Rahmen des Notfall-Programms PEPP im zweiten Quartal "deutlich" umfangreicher ausfallen werden als während der ersten Monate des Jahres. Eine genaue Zahl für das, was "deutlich" bedeute, habe sie dabei nicht im Kopf, sagte sie. "Wir haben beim PEPP volle Flexibilität, das ist der Eckpfeiler von PEPP." Zudem erklärte die Notenbank, sie stehe bereit, alle ihre Instrumente nötigenfalls anzupassen.
Kein grundlegender Preisauftrieb erwartet
"Während sich die gesamtwirtschaftliche Situation im Laufe des Jahres 2021 voraussichtlich verbessern wird, bleiben die kurzfristigen Konjunkturaussichten unsicher - insbesondere in Bezug auf die Dynamik der Pandemie und die Geschwindigkeit der Impfkampagnen", sagte Lagarde. Die EZB rechnet nun für das laufende Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,0 Prozent. Im Dezember hatten Notenbank-Volkswirte 3,9 Prozent erwartet. Die EZB geht jetzt für dieses Jahr von einer Inflation von 1,5 Prozent aus. Im Dezember wurden für 2021 noch 1,0 Prozent prognostiziert. Es sei zwar möglich, dass die Rate Ende des Jahres zwei Prozent erreichen könne, sagte Lagarde. Die EZB werde aber durch die Entwicklung "hindurchsehen". Der Anstieg sei voraussichtlich vorübergehend und werde nicht zu einem grundlegenden Preisauftrieb führen.
Ein neues Stützungspaket für die Wirtschaft beschloss die Notenbank am Donnerstag nicht. Sie hatte erst zum Jahresende 2020 ihre Konjunkturhilfen ausgebaut und unter anderem den Kaufrahmen des PEPP-Programms weiter aufgestockt. Auch den Leitzins beließ die Notenbank auf seinem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort steht er inzwischen seit März 2016.
Kaufrahmen von 1,85 Billionen Euro
Die EZB stützt die Wirtschaft im Euroraum seit 2020 mit umfangreichen Maßnahmen, um den Kreditfluss während der Pandemie am Laufen zu halten. Dazu gehören extrem günstige, langfristige Kreditspritzen für Banken und das PEPP. Dieses wurde inzwischen zweimal aufgestockt und hat nun einen Kaufrahmen von 1,85 Billionen Euro. Die Käufe sollen noch bis mindestens Ende März 2022 laufen. Rund eine Billion Euro steht noch zur Verfügung.
An ihrem Einlagesatz hielt die EZB ebenfalls fest. Dieser liegt bei minus 0,5 Prozent. Das bedeutet, dass Banken Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten. Die EZB hatte den Satz erstmals 2014 auf unter Null gesetzt.