Seit genau einem Jahr befindet sich die Welt in einem Ausnahmezustand. Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Covid-19-Ausbruch zur Pandemie. Österreich ging am 16. März 2020 in den ersten Lockdown.
Der Rest ist bekannt. Auch, dass Österreich mit einem um 6,6 Prozent schwächeren Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 den schwersten Wirtschaftseinbruch seit 1945 erlebte. Im europaweiten Vergleich landet die Republik mit diesem Wert im hinteren Drittel, so eine Aufstellung der Agenda Austria. Bemerkenswert: Irland erzielte demnach als einziges Land sogar ein Wirtschaftswachstum (1,4 Prozent).
100 Milliarden Krisenkosten
Die Agenda Austria geht aktuell von Krisenkosten für Österreich von fast 100 Milliarden Euro für das vergangene und das heurige Jahr aus. Wie sie diese Summe errechnete, lesen Sie hier:
Doch wo steht Österreich jetzt? Franz Schellhorn, Gründer und Chef der Agenda Austria, sieht Österreichs aktuelle Teststrategie auf der Habenseite. Ebenso sei es gelungen, durch die Rettungsprogramme die Wirtschaftsstruktur, viele Arbeitsplätze und die Kaufkraft der Privathaushalte weitgehend zu erhalten.
Doch hier endet das Lob auch schon. Die Agenda stellt eine Reihe von Forderungen auf, was jetzt zu tun sei, um zurück auf den Wachstumskurs zu kommen.
Streitpunkt Ladenschluss
Unter dem Punkt "Unternehmerische Freiheit" greift Schellhorn heiße Eisen auf. "Wir brauchen nicht den strengsten Ladenschluss der Welt", fordert er eine Liberalisierung. Es sei nicht einzusehen, warum man etwa im Herzen Wiens an Sonntagen nicht einkaufen könne. Die Möglichkeit ("Ein Kann, kein Muss"), in Wien aufzusperren, wie es andere Tourismusregionen in Österreich nützen, sei die Mindestforderung.
In Europa zählt Österreich zu den Ländern mit den kürzesten Ladenöffnungszeiten und ist eines von acht Staaten, in denen unter der Woche diese Zeiten gesetzlich eingeschränkt werden. In Skandinavien und Teilen Süd- und Osteuropas seien die Öffnungszeiten freigegeben, wie auch seit 2006/7 in sieben Bundesländern Deutschlands. Schellhorn plädiert dafür, dass dies in Österreich in den Betrieben entschieden werden darf - "mit den Beschäftigten".
Die Debatte um die Öffnungszeiten im österreichischen Handel lodert immer wieder auf. Der Rewe-Konzern (Billa, Merkur und andere) fordert schon lange die Ausweitung, im November wollte Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer damit das Weihnachtsgeschäft ankurbeln, erntete aber viel Widerspruch, nicht zuletzt aus der Kammer und dem Handel selbst.
Eine Lockerung fordert der Agenda-Chef auch bei der Gewerbeordnung. Dies wäre ein starkes Signal an alle, die unternehmerisch tätig werden wollen. "Geschützte Gewerbe, wo man erst mit dem Ablegen der Meisterprüfung ein Unternehmen gründen darf, sind nicht mehr zeitgemäß", sagt Schellhorn.
Der alte Apparat
Zentrale Forderungen sind schließlich die Digitalisierung der Verwaltung und der Bildung. "Alle Lehrer müssen über entsprechende Kompetenzen im Umgang mit den Endgeräten, Lernprogrammen und pädagogischen Aspekten der Digitalisierung verfügen, verpflichtend geschult und mit Endgeräten ausgestattet werden." Teuer, aber nicht effizient und zeitgemäß sei auch Österreichs Verwaltungsapparat, wie die vergangenen Monate gezeigt hätten. "Home Office ohne Zugang zu den Servern der jeweiligen Dienststellen sollten ebenso der Vergangenheit angehören wie die Zettelwirtschaft im Impfprozess."